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Kommt ein Löwe geflogen

Kommt ein Löwe geflogen

Titel: Kommt ein Löwe geflogen
Autoren: Max Kruse
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kann.«
    »Lutschbonbons und Luftballons!« sagte Pips.
    »Luftballons?« fragte Totokatapi und bekam plötzlich einen verträumten Gesichtsausdruck. »Ihr meint doch nicht etwa die hübschen, farbigen aufgeblasenen Kugeln, die an dünnen Fäden gehalten werden und die — wenn man sie losläßt — in den Himmel steigen und irgendwohin fliegen?«
    »Natürlich«, sagte Kim.
    »Davon gehörten mir ein paar?«
    »Was heißt, ein paar? Soviel du willst, Tausende!« »Rote, blaue, grüne, gelbe...«
    »Orangefarbige, violette und was immer du willst.«
    »Du kannst auch deinen Namen draufschreiben lassen, Totokatapi, auf jeden Luftballon einmal«, sagte Pips.
    »Und dann fliegt mein Name tausendmal in den Himmel und in die ganze Welt?«
    »Natürlich!«
    »Oder die Kinder laufen damit durch die Straßen?«
    »Natürlich!«
    »Das müßte lustig aussehen!«
    »Warum machst du nicht gleich eine Luftballonfabrik auf?« fragte das Kamel mürrisch. Es ärgerte sich darüber, daß Totokatapi Gefallen daran zu finden begann, Sultanien zu verlassen.
    »Hm—«, sagte der Sultan. »Das ist eine verzwickte Geschichte, die mir gar nicht gefällt. Es ist wohl besser, ich sage nichts dazu.«
    »Aber was soll ich machen?« fragte Totokatapi unsicher.
    Da meldete sich Schipp. »Man sollte jemanden um seinen Rat fragen, der überhaupt nichts mit uns zu tun hat und der uns deshalb eine uneigennützige Meinung sagen kann.«
    »Schön und gut«, sagte Dok. »Aber wen?«
    »Vielleicht den graukarierten Herrn mit dem Krokodil?« sagte das Kamel.
    Kaum hatte es das gesagt, meldete die Palastwache den fremden Besucher.

Unangenehme Besucher

    Durch die weitgeöffnete Tür, an deren beiden Seiten Wachen mit Krummschwertern standen, schritt ein graukarierter, hagerer Herr. In seiner rechten Hand hielt er eine Hundeleine aus Leder, und daran führte er ein Krokodil, das sich scheinbar schwerfällig auf dem Boden entlangschob. Es war ein riesengroßes, graugrünes Tier mit einer schuppigen Haut; und auf der Nase, ganz vorne auf der Schnauze, die von innen ein sehr scharfer Rachen war, saß eine häßliche Warze. Man konnte sie ganz gut sehen, obwohl das Krokodil einen Ledermaulkorb trug, denn sie schaute durch das Geflecht hindurch. Und etwas weiter oberhalb der Warze schielte das Krokodil mit zwei warzenartig gewölbten Augen griesgrämig in die Welt.
    Der graukarierte Herr verneigte sich vor dem Sultan und sagte zwei Wörter, die wie »Ergebenster Diener!« oder etwas ähnliches Ehrerbietiges klangen.
    Der Sultan neigte sein Haupt huldvoll, und der graukarierte Herr kickte sein Krokodil mit der Schuhspitze unter den Bauch, dahin, wo die Haut weich und empfindlich war, und sagte: »Krodi, du mußt dich auch verbeugen.«
    »Aber wie?« zischte das Krokodil aus den Mundwinkeln. »Meinen Kopf schiebe ich schon auf dem Fußboden entlang, und einen höflichen Gruß mit lauter, deutlicher Stimme kann ich auch nicht sagen, denn ich kriege ja meinen Mund nicht auf. Ich möchte mal wissen, wer von den verehrten Anwesenden mit einem Maulkorb vergnügt und höflich wäre. Wenn du es wünschst, kann ich ja zu singen versuchen: Tralala, deidideldideldum!«

    Totokatapi hatte sich erhoben, um das Krokodil etwas besser von oben betrachten zu können, und auch das Kamel war aufgestanden und war auf die Ottomane geklettert, um seine blausamtenen, silberbestickten Pantoffeln in Sicherheit zu bringen.
    »Sie kommen uns sehr gelegen«, sagte der Sultan.
    Der graukarierte Herr verbeugte sich und sagte: »Mein Name ist Mister Knister.«
    »Die Sache ist die«, fuhr der Sultan fort, »daß mein Minister für Angelegenheiten des angenehmen Lebens soeben einen Brief bekommen hat, in dem steht, daß er ein Kaufhaus in der kleinen Stadt Irgendwo geerbt hat.«
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte Mister Knister und verbeugte sich wieder. »Darf ich den Brief einmal lesen?«
    »Warum nicht, davon geht das Kaufhaus nicht kaputt«, sagte der Sultan, und Totokatapi gab Mister Knister den Brief.
    »Mir gefällt der Kerl immer weniger«, flüsterte Schipp Wu zu.
    »Und das grüne, grausliche Etwas auf der Erde noch weniger«, antwortete Wu so leise wie möglich.
    Aber das Krokodil hatte ihn vielleicht doch verstanden, denn es richtete seine Kulleraugen auf eine ganz hinterlistige Weise auf ihn.
    Mister Knister war inzwischen mit dem Brief an das Bogenfenster gegangen, wo das Licht heller war, und hatte aufmerksam gelesen. Mit der Geschicklichkeit eines Zauberkünstlers hatte er
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