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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag"
Autoren: Dorit Kowitz
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Wohnungen herum, als wären sie die Showrooms der Berliner Gesellschaft, in denen dauernd Partys und Empfänge gegeben würden.Dabei verbrachten wir zu Hause vielleicht 25 Stunden pro Woche wach – und ich jedenfalls die meisten davon allein.
    Ich bin mir sicher, ich würde bis heute keinen Herd anrühren, hätten Paul und ich all die Jahre schon zusammengelebt. Ich wäre eher geendet wie meine Freundinnen Yvette oder Gesa. Sie verfügen heute, mit vierzig, über sündhaft teure Designerküchen (Gesas für 26 000 Euro erstreckt sich auf satte neun – 9! – Quadratmeter), aber sie kochen darin: nie. Ich dagegen sägte und feilte mir damals, ohne Mann und unter Tränen der Anstrengung, ein schier tonnenschweres Buchenbrett aus dem Baumarkt als Arbeitsplatte zurecht, montierte eine 199-D-Mark-Spüle, die natürlich zunächst tropfte; ich besaß vom Vermieter den billigsten Herd, den man haben konnte, und kaufte ratlos ein Kochbuch, das den unsagbaren Titel „Brigitte Blitzrezepte“ trug. („Jamie Oliver“ käme natürlich lässiger, bloß war der Brite noch in der Ausbildung und längst kein Star der urbanen deutschen Pärchen-Cuisine.)
    Den „Blitz“ im Titel verdankte das Kochbuch dem Versprechen, kein Gericht brauche mehr als dreißig Minuten. Das senkte nicht nur die Hürden für Ahnungslose wie mich, mehr Zeit war gar nicht drin: Ich kam kaum vor 19 Uhr aus der Redaktion, erledigte nach einer 55-Stunden-Woche den Großeinkauf, und gegen 21 Uhr landete Paul aus Leipzig an. Es war anstrengend, und es war toll.
    Der Freitagabend war oft der schönste Termin der Woche; er wird bis heute von uns verklärt. Andere reißen sich nach fünf oder zehn Tagen Abstinenz vielleicht die Kleider vom Leib und fallen übereinander her. Wir haben dagesessen und gequatscht. Wir hatten große Lust: uns anzusehen und zu reden. In meiner selbst zusammengebastelten Küche. Berlin war uns gerade gut genug, als Kulisse. Und irgendwann hat sogar das Essen geschmeckt.
    Während der Woche ging ich jetzt oft mit Milla aus. Sie wohnte mittlerweile mit Carsten in Berlin, in einem Loft in Kreuzberg, und arbeitete in Potsdam-Babelsberg als Autorin für Seifenopern. Es war Perlen vor die Säue. Zu Hause schrieb sie Drehbücher für eigene Spielfilme, verschickte sie an einschlägige Firmen und wartete auf ihren Durchbruch. Die Arbeiten waren gut, Carsten wusste das, er lobte sie nicht. Er hatte nicht nach Berlin gewollt und trug seine Aversion gegenüber der Stadt wie eine Monstranz vor sich her. Dabei lief seine neue PR-Firma unanständig gut.
    Manchmal wenn wir uns verabredet hatten, kam Carsten mit. Er saß im Restaurant und sagte nichts, während wir Frauen uns die Welt untertan machten, über Macho-Chefredakteure und politischen Wahnsinnigkeiten herzogen, über schlechtes Kino und übel riechende ARD-Produzenten.
    Ich kam mir schwatzhaft und unzulänglich vor in Carstens schweigender Gegenwart. Ich verstand nicht, was Milla an ihm fand. Irgendwas an ihm machte sie aber glücklich. Womöglich hatten sie kosmischen Sex. Und sie mochten Theater, beide. Oder es waren die Reisen. Sie fuhren viel und kompromisslos durch die Welt, nach Laos und Argentinien, nach Feuerland und zurück, vielleicht war es das.
    Eines Abends, nach zwei Jahren in Berlin, trafen wir uns ohne ihn. Ihr Gesicht war aschfahl, ihre blonden Locken hingen stumpf. Sie war wortkarg und ließ die Steinpilzravioli unseres Stammitalieners liegen. Vier schlechte Zeichen.
    „Na, sag schon. Ich sehe es dir sowieso an.“
    Milla hatte ein großartiges Angebot aus Köln. Eine Filmproduktionsfirma wollte sie haben, als Drehbuch-Redakteurin, mit der Option auf eigene Filme. Es war genau das, wovon sie träumte. Es war genau das, wovon Carsten albträumte. Darum hatte er das Sprechen eingestellt. „Grauenhaft. Es ist grauenhaft“, sagte Milla. Sie litt.
    Das Angebot stand seit drei Wochen. Seit drei Wochen schwieg er. Es gab etwas zu bereden, etwas großes, dringendes. Aber Carsten redete einfach nicht mit ihr, nicht über Köln, nicht über ihren Traum, diese Veränderung, die er als Bedrohung empfand. Er sagte weder geh’ noch bleib’.
    Er schwieg.
    Ich hätte Milla am liebsten befohlen, sie solle ihn verlassen. Es war nicht das erste Mal, dass er sie hängen ließ, wenn es um mehr ging als das Aussuchen eines Reiseziels oder die neue Farbe des Esszimmers. Aber ab einem gewissen Stadium des Erwachsenenlebens wird es heikel, solche Ratschläge zu geben. Sie können anmaßend und
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