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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag"
Autoren: Dorit Kowitz
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ihr endloses Studium an der Backe, während uns der verbissene Ehrgeiz, die Gruppendynamik und der Run auf den besten Job fortwährend formte und vermutlich auch: deformierte. Wir hatten einen Kick, die Ex-Partner hatten ihn nicht.
    Die Erste aber, bei der mir klar wurde, wann Entfernung zur Trennung führen kann, war Milla. Milla kam nicht aus unserem Schöner-Schreiben-Camp am Hafen. Man hatte sie mir in der „Strandperle“ vorgestellt, einer Freiluftbar an der Elbe, in der Hamburg versucht, lässig zu sein. Milla war groß, klug und explizit in ihrem Auftritt; sie hatte den beißenden Charme einer Katherine Hepburn. In Hamburg ließ sie sich zur Drehbuch-Autorin und Regisseurin ausbilden und mochte die Stadt so wenig wie ich.
    Milla hatte an der Ruhr-Universität promoviert, in einem Buchverlag gearbeitet, und für Micha in Gelsenkirchen, einen seit elf Jahren angehenden Sozialpädagogen mit Zopf und Therapeuten-Stimme, war sie das Ein und Alles – bis sich Milla schockartig in Carsten verliebte, einen introvertierten, nicht unbedingt schönen Zeitungsreporter. Carsten, der dürre, hoch aufgeschossene Schlaks mit den tiefliegenden braunen Augen und dem schütteren Kopfflaum und Milla, die wikingerhafte Blondine mit der großen Intellektuellen-Klappe. Sein leiser Humor und seine, für Fremde allerdings gut verborgene, Weltläufigkeit hatten sie umgehauen.
    Carsten löste Micha sozusagen folgerichtig ab, nach sieben Jahren Etwas, das sich als Harmonie ausgegeben hatte, aber womöglich nur noch Gewohnheit war. Ehe sie es sich versahen, klaffte zwischen Michas und Millas Lebensgefühl ein Abstand, weit und tief wie eine Schlucht. Und keine Brücke führte mehr darüber.
    Die Entfernung zwischen den Aufenthaltsorten zweier Partner verursacht eine Trennung nicht, sie beschleunigt sie nur, wenn sie ohnehin im Raum steht. Anders als das Zusammenleben schärft die Distanz schnell und gnadenlos den Blick für einen zu großen Unterschied.
    Insofern hatten Paul und ich nichts besser gemacht, wir hatten einfach den Vorteil, uns gleichzeitig in einer Metamorphose zu befinden. Wir waren unterwegs und nicht am Ziel, er mit seinen Kneipen, ich mit meiner Schreiberei. Man ist rücksichtslos in solchen Phasen und egoistisch, in einer gemeinsamen Wohnung führt das gern zu Anfeindungen. Die Gefahr liefen wir natürlich nicht.
    Stattdessen war die Zeit ohne den anderen so wichtig wie die Zeit mit ihm kostbar. Ich arbeitete so viel und so lange, wie es mein Strebertum verlangte. Ich feierte, so lange und mit wem ich wollte. Und wenn es ging, floh ich meine trostlose WG und fuhr an den Wochenenden nach Leipzig. Dort traf ich auf einen Mann, der kein Jahr zuvor sein Jurastudium kurz vor dem Staatsexamen geschmissen hatte und jetzt seinen zweiten Laden plante, ein Café, anders, größer, auch: riskanter.
    Da war niemand, der meiner harrte, sondern nur einer, der sich auf mich freute. Das ist ein Unterschied.
    Die Zeit reichte kaum, um sich das Wichtigste zu erzählen. Und manchmal konnten doch Wochen vergehen, bis wir uns wiedersahen. Telefonieren hilft da natürlich. Das klingt profan, das ist profan, aber trotzdem so eine Sache. Erstens kann man sich durchs Telefon nicht küssen oder dem anderen einen Schuh an den Kopf schmeißen, wenn man es gerne möchte. Zweitens war Pflicht-Rapportieren nie unser Ding. Wir verabredeten darum keine Zeiten, obwohl es nötig gewesen wäre. Unsere Abstandsliebe begann in technologischer Steinzeit. Es gab noch keine Handys für jedermann, ein teurerStaatsmonopolist besaß die Festnetz-Alleinherrschaft, und Skype gehörte ins Reich der Science Fiction.
    Eines Tages aber ertappten wir uns dabei, dass jedes Mal, wenn die Wetterkarte in der Tagesschau aufschien (denn wir schauten zu viel fern), er bei mir klingelte oder ich bei ihm. Wir änderten die Praxis auch nicht, als wir ein Jahr später Handys besaßen. Ich wollte lästern, ungeschützt mit ihm die Hamburger Bräsigkeit verhandeln, ehrlichen Rat einholen. Paul wollte den neuesten Behördenirrsinn abladen, sich über Umsätze und gelungene Partys freuen, sich über die neuen Härten seines Chefdaseins auslassen. Keine Ahnung mehr, wie viele Abende und Stunden wir allein über seinen ersten Rausschmiss eines seiner Mitarbeiter verhandelt hatten, inklusive Höreraufknallen. Er war dafür, ich war gegen die Kündigung und hätte am Ende vermutlich eine ganz passable DGB-Chefin abgegeben.
    War aber einer von uns zur Telefonzeit nicht zu Hause, wurde
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