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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag
Autoren: Günther Zäuner
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werden, beim geringsten vermeint­lichen Verstoß gegen die Regeln mit einem Hagel an Ohrfeigen eingedeckt zu werden.“
    „Warum duldet dann Ihre Familie Ihren doch sehr offenen Lebensstil?“
    „Sie sind dagegen, müssen es trotzdem akzeptieren, weil ich ihnen stän dig drohe, zur Polizei zu gehen und auszupacken. Andererseits wissen sie, d ass ich das niemals wagen würde. Trotzdem bleibt für sie ein Rest Unsicher ­heit und den nutze ich aus.“
    „Wie gefährlich ist Ihr Wissen?“
    Günay Kaytan zögert eine Weile, dann geht ein deutlicher Ruck durch ihren Körper. „Also gut, ich bin darüber informiert, was Sie in dieser Neonazi­geschichte geleistet haben, deshalb traue ich Ihnen auch zu, die Hintergrün de dieses fürchterlichen U-Bahn-Anschlages zumindest so weit zu klären, dass gegen die Hintermänner vorgegangen werden kann. In den Medien sickert immer öfter durch, dass es möglicherweise eine Verbindung zwischen den Neonazis und den Islamisten gibt, was an sich paradox ist. In diesem Fall stimmt es allerdings, ich war das Bindeglied ...“
    „... weil Sie mit Franz Erdenberger ein Verhältnis hatten“, Kokoschansky schießt willkürlich einen Pfeil ab und trifft punktgenau ins Schwarze.
    Zum ersten Mal im Verlauf des Gesprächs gleitet ein flüchtiges Lächeln über Günays Gesicht. „Ich habe Sie nicht unterschätzt, Sie haben einen ver dammt guten Riecher. Ich lernte Franz in einer Diskothek in Hagenbrunn kennen. Durchaus ein Mann, der meinem Geschmack entsprach. Leider wusste ich nicht, dass er zwei Gesichter hatte. Heute ist mir klar, dass er es nur darauf anlegte, mit einer Orientalin in die Kiste zu hüpfen, um herauszufinden, wie das denn so ist. Kurz und gut, es hat uns einige Wochen sehr gefallen. Ich war auch, zugegeben, schwer verliebt in ihn. Dann kam ich dahinter, dass er verheiratet war, ein Kind hatte. Außerdem ließ er mir gegen­über immer mehr seine wahre Gesinnung durchblicken. Ich wusste, er war auch ein notorischer Spieler und steckte seinen letzten Cent in den Spielauto ­ maten. Es wurde mir langsam zu viel, zumal mich meine Familie weiterhin ständig unter Druck setzte, obwohl sie nichts von Franz wussten, bis eines T ages Fikret meine Handtasche kontrollierte und ein Foto von ihm fand. Voller Wut zerfetzte Fikret das Bild, prügelte aus mir alles heraus, was er wissen wollte, sodass ich vierzehn Tage nicht arbeiten konnte. Natürlich ging ich weder zu einem Arzt noch ins Spital, das hätte alles nur noch schlim mer gemacht. Nun kamen viele Dinge auf einen Schlag zusammen. Fikret und mein Vater fürchteten, die Organisation könnte auffliegen ...“
    „Moment“, unterbricht Kokoschansky, „welche Organisation?“
    „Ein türkischer Kulturverein mit dem unverfänglichen Tarnnamen Wiener Halbmond. Offiziell ein Sportverein in dem Kickboxen und andere asiati­sche Kampfsportarten trainiert werden. Sie brauchen sich nicht die Mühe zu machen, diesen Verein zu suchen, sie werden nichts finden. Weder eine Meldung im Vereinsregister, noch ein Clublokal. Die Adresse kennen nur Eingeweihte ...“
    „... und die ist Fikrets Dönerbude am Brunnenmarkt.“
    „Sie beeindrucken mich von Minute zu Minute mehr, Herr Kokoschansky.“
    „Aber weder Fikret noch Erkan oder Ihr Vater werden vor Ihnen offen darüber gesprochen haben?“
    „Natürlich nicht. Doch ich muss oft Fikret helfen. Wenn er mich hinbes tellt, bin ich nach meiner Arbeit zu ihm hin. Da schnappt man doch so einiges auf und wenn man dann noch einem Türken, der etwas zu viel getrunken hat, ein wenig Avancen macht, kommt man mit etwas Geschick zu den gewünschten Informationen. Im Brunnenmarktviertel müssen Sie nur Augen und Ohren offen halten, dann bekommen Sie sehr viel mit.“
    „Gibt es auch Verbindungen zu anderen türkischen Organisationen?“
    „Selbstverständlich! Sehen Sie einmal unter www.hakikat.com im Internet nach, eine Seite, die von Istanbul aus betrieben wird. Da lässt sich so manches herauslesen.“
    „Auch zu Milli Görüs?“
    „Kann ich mir durchaus vorstellen. Wie ich bereits erwähnte, der Wiener Halbmond unterhält sicherlich Beziehungen zu sämtlichen Organisationen, die in Österreich tätig sind. Zu manchen engere, zu anderen wieder losere.“
    „Und das Endziel ist der Heilige Krieg, der Dschihad, den es in jeden Winkel dieser Erde hineinzutragen gilt?“
    „Was sonst?“ Günay Kaytan ist für einen Augenblick entrüstet, weil Koko­schansky diese naive Frage stellt.
    „Wer
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