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Königskind

Königskind

Titel: Königskind
Autoren: R Merle
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leisen Sohlen aus dem königlichen Gemach. Ihr ›Ritt‹ war mit dem
     Lever der Königin beendet: das weitere war Sache der elf Zofen vom Tagesdienst Ihrer Majestät. Obwohl Caterina insgesamt gut
     bezahlt und ziemlich gut behandelt wurde, fiel dieser Samen auf undankbaren Boden: sie liebte Maria nicht und nahm ihr übel,
     sie in der Nacht geweckt zu haben.
    Die Gemächer der Königin lagen im Zwischenstock
,
und weil Caterina Lärm vom Hof hörte, öffnete sie ein Fenster und rief Vitry an, der in einer Gruppe von Edelmännern das Wort
     führte: »Monsieur de Vitry,
che cosa c’è ?«
3
    Verblüfft, derweise angerufen zu werden, noch dazu auf italienisch, runzelte Vitry die Stirn, aber weil es eine Frau war und
     eine, die ihn jedesmal anhimmelte, wenn sie ihm begegnete, antwortete er: »Der Marschall von Ancre ist erschossen worden!«
    »Per chi?«
    |463| »Von mir!« rief Vitry munter. »Auf Befehl des Königs!«
    Caterina schloß das Fenster. Unleugbar war es ihre Pflicht, der Königin diese Nachricht auf schnellstem Wege zu überbringen,
     aber eine Pflicht, an die sie sich mit hämischem Vergnügen schickte, denn weil sie nicht dumm war, konnte sie sich ausmalen,
     wie verheerend Concinis Tod ihre Herrin treffen würde.
    Die Königin war aufgestanden, sie saß nur in einem seidenen Pudermantel, den sie über ihrem dicken Leib nicht einmal geschlossen
     hatte, schlaff auf einem Lehnstuhl, die Beine anmutlos gespreizt, das Kinn auf dem Busen und die Haare ungekämmt um das mürrische
     und bängliche Gesicht. Sie schrak zusammen, als Caterina beim Eintritt ins Zimmer die Tür hinter sich zuschlagen ließ, wofür
     sie sich sogleich mit tiefem Kniefall unterwürfigst entschuldigte, obwohl das Türschlagen beabsichtigt war, um der Herrin
     einen Schreck einzujagen.
    »Was ist?« fragte Maria. »warum siehst du mich so an?«
    »Madame, was ich Euch zu melden habe, wird Euch nicht erfreuen.«
    »Nun rede! Rede schon, dumme Trine!«
    »Madame«, sagte Caterina, indem sie den Kopf hob und auf einmal sehr laut sprach, »der Marschall von Ancre ist soeben von
     Monsieur de Vitry erschossen worden, und zwar auf Befehl des Königs.«
    »Ist das wahr?« schrie die Königin und fuhr mit verstörtem Gesicht von ihrem Stuhl hoch.
    »Monsieur de Vitry hat es mir eben gesagt.«
    »Mein Gott!« sagte Maria, drückte erbleichend beide Hände ans Herz, bewegte die Lippen, aber war zu keinem Wort fähig.
    Sie machte drei, vier Schritte durch den Raum, hielt inne, kehrte um, tastete mit der Hand nach der Stuhllehne, als versagten
     die Augen ihr den Dienst und ließ sich auf den Sitz fallen, den sie eben verlassen hatte.
    In dem Moment traten hocherregt, alle durcheinander redend und wenig bekleidet, die drei engsten Freundinnen der Königin ins
     Zimmer, Madame de Guercheville (die über die Ehrenjungfern wachte), meine liebe Patin, die Herzogin von Guise, und meine Halbschwester,
     die blendende Prinzessin Conti. »Offen gesagt«, gestand sie mir später, als sie mir die folgende Szene schilderte, »war ich
     gar nicht blendend, ich war unfrisiert, |464| ungeschminkt, wie meine Mutter und die Guercheville im Hausrock, ohne Busenstützen und ohne jeden Schmuck! Wir hatten gerade
     von Concinis Ermordung gehört und waren aus dem Bett gesprungen, um der Königin beizustehen, ich allerdings auch ein bißchen,
     um zu sehen, wie sie die Sache aufnehmen würde … Dann erschienen Monsieur de La Place und Monsieur de Bressieux, und ich starb
     fast vor Scham, daß diese Herren mich so erblicken mußten! Aber, könnt Ihr Euch vorstellen, Cousin, daß Monsieur de Bressieux
     trotz des Ernstes der Stunde und trotz meiner Aufmachung, oder vielleicht gerade deswegen, nur Augen für mich hatte! Mein
     Gott, Männer sind doch seltsame Tiere!«
    Die Tröstungen ihrer intimsten Freundinnen waren Maria nicht die geringste Hilfe. Zerzaust, Schrecken in den Augen, außerstande
     zu sprechen, durchmaß sie mit langen Schritten das Zimmer und rang die Hände, ein Bild der Verzweiflung. Weil Madame de Guise
     ihr keine Silbe entlocken konnte, erkühnte sie sich, den Lauf der Königin anzuhalten und ihr den rosaseidenen Hausmantel über
     ihrer Leibesfülle zuzuknöpfen. Maria bemerkte es kaum. Sowie meine liebe Patin ihr keusches Werk vollendet hatte, nahm Maria
     ihren Marsch wieder auf, mal rang sie die Hände, mal schlug sie sie wie toll gegeneinander.
    In dem Augenblick betrat ich das Gemach mit einer ausführlichen mündlichen Botschaft, die
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