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Königskind

Königskind

Titel: Königskind
Autoren: R Merle
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etwas vom
     Charakter ihres Sohnes begriff und ihn auch nie begreifen würde, da sie hoffte, er werde seinen Entschluß ändern, wenn sie
     mit ihm redete. Unfähig, die eingefahrene Spur ihrer Ansichten zu verlassen, blieb sie bei dem, was sie immer getan hatte:
     sie unterschätzte ihn.
    Als ich ihre Wohnung verließ, hörte ich gereizte Stimmen, und als ich mich dem Ort näherte, woher sie kamen, sah ich Monsieur
     de Vitry im Streit mit Monsieur de Presles, dem Gardeleutnant der Königin, dem er im Namen des Königs befahl, seine Männer
     abzuziehen, damit die seinen an ihre Stelle rücken konnten. Monsieur de Presles weigerte sich rundheraus, Vitry drohte wütend,
     ihn in Stücke zu hauen, ihn samt seinen Männern. Woraufhin Monsieur de Presles an die Tür der Königin klopfte und, als Caterina
     Forzoni erschien, diese die Königin zu fragen bat, welches ihre Instruktionen seien. Caterina |467| kam mit der Antwort von ihrer Herrin, daß den Befehlen des Königs Folge zu leisten sei, doch drückte sie dies so roh und ungefällig
     aus, daß Monsieur de Presles an der Wahrheit zweifelte und nach dem Rittmeister der Königin, Monsieur de Bressieux, verlangte,
     der auch endlich kam und bestätigte, was die Königin gesagt hatte. Traurig und niedergeschlagen zog Monsieur de Presles mit
     seinen Männern ab, denn ihm war klar, daß dies die Auflösung seiner Kompanie bedeutete, und Vitry postierte zwölf königliche
     Gardeschützen vor der Tür der Königin und befahl ihnen, niemanden einzulassen. Entgegen meinen Versicherungen war Maria, wenigstens
     für den Augenblick, nun tatsächlich die Gefangene ihres Sohnes.
    Hätte sie soviel Charakter besessen, in sich zu gehen, hätte sie sich erinnert, daß Concini acht Tage zuvor, als er mit verhängten
     Zügeln von Caen zurückgekehrt war,
urbi et orbi
hatte ausschreien dürfen, er werde ihren Sohn im Louvre einsperren, ohne daß sie dagegen den mindesten Einwand erhoben hatte.
    Als ich zum Pavillon des Königs zurückging, begegneten mir Maurer mit Kalk und Ziegelsteinen und Schweizer mit Äxten. Die
     einen sollten zwei Geheimtüren der Gemächer der Königin zumauern, die anderen die kleine Holzbrücke abreißen, die den Wehrgraben
     überspannte und über die Maria in den Garten an der Seine gelangen konnte. Offensichtlich fürchtete der König, sie könnte
     auf diesem Wege fliehen und sich mit Parteigängern gegen seine Macht verbünden, die zu festigen er noch keine Zeit gehabt
     hatte.
    An diesem Morgen des vierundzwanzigsten April verlangte Maria in kindischem Starrsinn sechsmal, daß er sie empfange, und sechsmal
     wies der König sie ab. Der letzten Abgesandten, Madame de Guercheville, die sich dem König, als er vorübereilte, zu Füßen
     warf, um ihm die Bitte der Königin auszurichten, antwortete Ludwig mit äußerster Kühle: »Ich werde die Königin immer als meine
     Mutter anerkennen, obwohl sie mich weder als König noch als Sohn behandelt hat. Aber ich kann sie nicht sehen, bevor ich meine
     Geschäfte nicht geordnet habe.«
    Hierauf fuhr er peinlich genau fort, sie eingesperrt zu halten, indem er verbot, ihre Kinder, die Herren vom Hofe und die
     ausländischen Gesandten zu ihr zu lassen. Als der spanische |468| Grande und Herzog Monteleone sich Marias Gemächern näherte, rief Vitry ihn schroff an: »Wohin wollt Ihr, Monsieur? Jetzt heißt
     es nicht mehr dorthin gehen, sondern zum König!«
    Schöne Leserin, wer hätte gedacht, daß ich eines Tages einiges Mitleid für jene empfinden würde, die wir zu Hause im Champ
     Fleuri nur die Spinne zu nennen pflegten? Als man ihr mitteilte, daß man ihren Mann erschossen hatte, vergoß sie nicht eine
     Träne, aber, großmütiger als ihre Herrin, bedauerte sie die Königin: »Arme Frau«, sagte sie, »ich habe sie ins Unglück gebracht!«
     Dann packte sie all ihre Diamanten in ihren Strohsack, legte sich drauf und stellte sich krank. Man begnügte sich nicht damit,
     sie festzunehmen und sie um die Früchte ihrer Raubzüge zu erleichtern. Das Hohe Gericht, das sich zu Concinis Lebzeiten nie
     getraut hätte, soviel Eifer zu bezeigen, rächte sich für seine zurückliegende Feigheit an einer alleinstehenden, hilflosen
     Frau. Es klagte sie der Hexerei an, machte ihr einen ungerechten Prozeß und verurteilte sie zum Scheiterhaufen.
    Als das Volk am Tag nach dem vierundzwanzigsten April erfuhr, daß man Concini unterm Chor von Saint-Germain L’Auxerrois begraben
     hatte, kam es und spuckte auf den
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