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Königskind

Königskind

Titel: Königskind
Autoren: R Merle
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Seite gesprochen werden sollten. Denn da er Maria kannte, befürchtete er, sie könnte die Szene in einer
     Weise dramatisieren, die ihn der Würde der Königin und der seinen nicht ziemlich dünkte. Marias Unempfindsamkeit bei verschiedenen
     Anlässen hätte ihn beruhigen können. Beim Tode von Nicolas hatte sie keine Träne vergossen, Madames Abreise nach Spanien hatte
     sie kühl gelassen, und seit die Concini verhaftet war, schien sie sich ihrer nicht einmal mehr zu erinnern. Doch wo es sich
     um sie selbst und ihr eigenes Unglück handelte, war sie durchaus imstande, zu schreien, zu klagen, in wütende Vorwürfe oder
     lautstarkes Schluchzen auszubrechen. Ludwig, der sich der heftigen Szenen entsann, die sie seinem Vater gemacht hatte, manchmal
     sogar in Gegenwart des Hofes, sicherte sich jedenfalls ab, indem er ihr von Anfang bis Ende ihren Rollentext bei diesem Abschied
     vorschrieb, und sie mußte versprechen, ihn auswendig zu lernen und ihn herzusagen, ohne etwas hinzuzufügen oder wegzulassen.
     Trotz dieses Versprechens bangte Ludwig, wie ich beobachtete, daß sie sich Freiheiten gegenüber ihrem Text herausnehmen könnte.
    Die Abreise der Königin war auf Mittwoch, den dritten Mai, festgesetzt und der Abschied auf halb drei Uhr nachmittags. |471| Der Regen, der am vierundzwanzigsten April aufgehört hatte, hob am Morgen des dritten Mai wieder an, und in der Umgebung der
     Königin befand man einhellig, daß auch der Himmel über diese Trennung weine.
    Der König legte an jenem Tag ein Wams aus weißem Satin an (Stoff und Farbe, die sein Vater bei großen Anlässen wählte), scharlachrote
     Kniehosen, einen schwarzen Filzhut mit weißen Federn, und staunend sah ich, daß er bei dieser Gelegenheit gestiefelt und gespornt
     erschien. Gewiß wollte er nach dem Abschied sich nach Vincennes zur Jagd begeben, doch für gewöhnlich legte er Stiefel und
     Sporen erst dort bei der Ankunft an, weil sie ihm auf der Kutschenfahrt unbequem waren. Madame de Guise, die Maria bedauerte
     und in ihr auch eine Freundin verlor, die sie mit Geldgeschenken verwöhnt hatte, fand, diese Stiefel und Sporen seien eine
     Art Herausforderung des Sohnes an die Mutter, denn bis dahin, sagte sie, hätte er es nie gewagt, in solchem Aufzug vor sie
     zu treten.
    Ich weiß nicht, ob sie darin recht hatte, denn aus der Handvoll seiner Getreuen schloß Ludwig bei dieser Begegnung immerhin
     Vitry und dessen Bruder Du Hallier aus: der Anblick der Concini-Mörder sollte die Königin nicht beleidigen.
    Außer seinen Getreuen ließ Ludwig bei diesem Abschied die Gesandten der benachbarten Königreiche zu, er wollte sie zu Zeugen
     der Trennung machen, um übelwollenden Berichten ans Ausland vorzubeugen, die sich auf den Hofklatsch stützen könnten.
    Die Szene spielte sich im Zwischenstock ab, im Vorzimmer der Königin. Der König mit besagtem Gefolge, darunter ich, traf als
     erster ein und brauchte nur eine kleine Minute zu warten, bis die Königin seine Mutter aus ihrem Zimmer trat, nicht prächtig,
     wie ich vermutet hatte, sondern mit gediegener Schlichtheit gekleidet, ohne jedes Geschmeide, nur mit einem Spitzentuch in
     der Hand als einzigem Schmuck. Ich fand ihre Miene durchaus nicht niedergeschlagen, wie es einige unter uns nachher meinten.
     Dieser Eindruck entstand, glaube ich, nur, weil auf ihrem Gesicht nicht jene langgewohnte Großartigkeit lag. Allerdings wäre
     es Maria auch schwer gefallen, in einer so demütigenden Situation die Nase hoch zu tragen.
    Als sie erschien, zog der König seinen Hut, trat einen oder zwei Schritte auf sie zu, aber ohne sich ihr weiter zu nähern, |472| und so, aus etwa zwei Meter Abstand, den Hut in der Hand, blickte er sie an, ohne daß sein Gesicht irgendeine Bewegung verriet.
    »Madame«, sprach er mit gemessener Stimme, »ich komme hierher, um Euch Lebewohl zu sagen und Euch zu versichern, daß ich stets
     Sorge um Euch tragen werde als meine Mutter. Ich möchte Euch der Mühsal entheben, die Ihr an meine Geschäfte gewandt habt.
     Es ist Zeit, daß Ihr davon ausruht und daß ich mich ihrer annehme. Es ist mein Entschluß, nicht mehr zu dulden, daß ein anderer
     als ich in diesem Reich befiehlt. Ich bin jetzt König.«
    Ludwig hielt kurz inne nach diesem »Ich bin jetzt König«, das er in ruhigem Ton sprach, ohne die Stimme anzuheben, aber mit
     derselben Entschiedenheit wie zuvor.
    »Ich habe angeordnet«, fuhr er fort, »was für Eure Reise erforderlich ist, und habe Monsieur de la Curée
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