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Königskind

Königskind

Titel: Königskind
Autoren: R Merle
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Stein, der seinen Leib deckte, und weil diese Schmähung den allgemeinen Haß noch nicht stillte,
     riß man besagte Steinplatte auf, grub den Leichnam aus, dann schleifte man ihn durch die Straßen und hängte ihn mit den Füßen
     an den Galgen auf dem Pont Neuf. Dort stürzte sich alles mit Messern auf ihn und begann ihn zu zerstückeln. Und als vom Marschall
     von Ancre nur mehr ein unförmiger Rumpf übrig war und die Wütenden gewissermaßen enttäuscht sahen, daß der nichts Menschliches
     mehr an sich hatte, einigte man sich darauf, die armseligen Überreste zu verbrennen. Ludwig hörte davon, und er bedauerte,
     daß der Polizeihauptmann nicht die Macht gehabt hatte, diesen Ruchlosigkeiten von Anfang an zu wehren.
    Die drei Concini hörigen Minister wurden, wie gesagt, in der ersten Stunde abgesetzt, aber sie erlitten nicht das gleiche
     Schicksal wie er, weit entfernt. Barbin kam vor Gericht und wurde zu lebenslanger Verbannung verurteilt, er starb arm und
     verlassen. Mangot blieb in Freiheit und lebte trübe dahin.
    Aber bei dem Nadelspiel, das die kleinen Mädchen dieses Reiches spielen, zog Richelieu seine Nadel mit wunderbarer |469| Geschicklichkeit heraus. Anfangs sehr unwillig vom König empfangen, erinnerte er Luynes an das Versprechen, das Pont de Courlay
     Seiner Majestät in seinem Namen gegeben hatte: ihn über alle Dinge zu unterrichten, die ihm zur Kenntnis gelangten. So erhielt
     er von Ludwig die Erlaubnis, sich der Königinmutter in ihrer wahrscheinlichen Verbannung anzuschließen, um als Mittler zwischen
     ihr und ihrem Sohn zu dienen. Gleichzeitig vereinbarte er mit Déagéant einen chiffrierten Briefwechsel, um über Intrigen zu
     informieren, die sich um die gestürzte Königin zusammenbrauen könnten. Derweise nach beiden Seiten hin gedeckt, sah Richelieu
     mit dem Vertrauen in die Zukunft, zu dem seine großen Talente und seine geringe Aufrichtigkeit ihn berechtigten.
    * * *
    In den folgenden Tagen genoß Ludwig, der eine sehr ungute Erinnerung an die protokollarischen Besuche bewahrte, die er sieben
     Jahre lang zwei- oder dreimal am Tag einer hochfahrenden, patzigen Mutter hatte abstatten müssen, in vollen Zügen sein neues
     Vorrecht, von dieser demütigenden Pflicht frei zu sein. Daher blieb er unbeugsam in seinem Entschluß, Maria nicht vor Tag
     und Stunde zu sehen, die er bestimmen würde, und ebenso in seinem Verbot, ausländische Gesandte zu ihr zu lassen. Im übrigen
     lockerte er seine erste Strenge und behandelte sie menschlicher als sie ihn. Er erlaubte ihr, ihre Töchter zu sehen, doch
     ohne daß diese ihr an ihren neuen Wohnort folgen durften, auch Gaston nicht, damit sie sich ihrer Kinder nicht eines Tages
     als Geiseln gegen ihn bediente.
    Ebenso erlaubte er ihren vertrauten Freundinnen, ihrem Sekretär Philipeaux de Villesavin, ihrem Rittmeister Monsieur de Bressieux
     und natürlich Richelieu, der Oberrat der Königin geworden war, soviel mit ihr zu reden, wie sie wollten.
    Der neue Wohnort der Königinmutter in der Provinz war kein ausgesprochenes Exil, ähnelte dem aber insofern stark, als sie
     kaum eine Wahl gehabt hatte. Anstatt eingeschränkt und ohne ihre vergangenen Machtbefugnisse im Louvre zu wohnen, wollte Maria
     sich lieber in eine kleine Stadt ihres Krongutes zurückziehen, zum Beispiel Moulins. Weil aber Moulins, wie sich schnell herausstellte,
     nicht in dem Stande war, sie aufzunehmen, |470| verlangte sie Blois, das sie bei ihren Aufenthalten dort bezaubert hatte.
    Sie richtete noch andere Forderungen an den König, und keine geringen: Sie wollte in der Stadt, in der sie residieren würde,
     die ›absolute Macht‹, wollte, daß ihre Einkünfte, Apanagen und Bezüge ihr dort ungeschmälert zuflössen, wollte ihre Leibgarde
     behalten, wenigstens einen Teil davon, wollte unverzüglich die Namen der Personen erfahren, denen der König erlauben würde,
     mit ihr zu gehen, und sie wollte Abschied vom König nehmen, bevor sie abreiste.
    Entschlossen, aufs beste mit ihr zu verfahren und ihre Bedingungen zu erfüllen, verfuhr er dabei gleichwohl mit Bedacht. Um
     einen unanfechtbaren Nachweis dieser Abmachungen zu haben, damit sie eines Tages nicht anders ausgelegt werden konnten, verlangte
     er die Forderungen der Königin in schriftlicher Form, und ebenso antwortete er schriftlich, daß er sie bewillige.
    Mit derselben Sorgfalt und Vorsicht regelte er das Protokoll der Abschiedszeremonie und legte sogar die Worte fest, die von
     der einen und anderen
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