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Königliche Republik (German Edition)

Königliche Republik (German Edition)

Titel: Königliche Republik (German Edition)
Autoren: Annemarie Nikolaus
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ärgerte sich noch
immer über Darios Geheimnistuerei. „Du wirst es wissen,
wenn ich wieder herauskomme.“
    Ein
Schatten fiel über Fabrizios Gesicht und seine Lippen bewegten
sich einen Moment, als wolle er etwas erwidern. Stattdessen zog er
die Knebel an seiner Weste durch ihre Schlaufen und schob die
aufgerollten Hemdsärmel herunter. Dann half er Mirella in die
Kutsche.
    Als
sie dann vor der Basilica del Carmine hielten, schalt Mirella
sich als ungehörig: Da ging sie in die Kirche und war
gleichzeitig garstig zu einem Dienstboten.
    Die
Piazza del Mercato lag verlassen in der gleißenden Sonne. Und
eben das war bedenklich. Zu einem richtigen Sonntag gehörten die
Komödianten auf dem Platz und anderer Zeitvertreib.
    „Warum
wolltest du wissen, wie lange ich zur Andacht bleibe? Hast du etwas
zu besorgen?“
    Fabrizios
Hand glitt zu seiner Jackentasche. „Gina ...“ Er stockte,
als sei ihm eingefallen, dass sie es herausfände, wenn er ihr
etwas über Ginas Aufträge vorlöge.
    Sie
sah ihn auffordernd an; mit einem Lächeln, das ihn hoffentlich
ermutigte zu sprechen.
    „Ihr
Bruder hat mich gebeten, einen Brief zu überbringen.“
    „Du
kannst einen Umweg machen auf dem Heimweg, wenn es dafür nötig
sein sollte.“ Sie wandte sich ab und betrat die Kirche.
    Mirella
liebte die Basilika der Santa Maria del Carmine Maggiore , weil
gleich zwei Kapellen Namenspatronen ihrer Großeltern gewidmet
waren. Aber als sie nun auf dem Weg zur Kapelle des heiligen Gregorio
am Grab Masaniellos vorbeikam, überlief sie ein Schauer. Statt
für die Seelen der Großeltern sollte sie besser für
Neapel beten; die Lebenden waren in größerer Not.
    Mirella
wandte sich nach rechts zur Madonna del Carmine . Während
sie vor dem Bild der braunen Jungfrau kniete, ging ihr die Frage
nicht aus dem Kopf, wohin Fabrizio nachher mit ihr fahren würde.
Sie sprach ihre Gebete hastig wie selten und eilte nach draußen.
    „Du
musst nicht bis zum Heimweg warten. Gib den Brief gleich auf dem Weg
zu Giuseppina ab. Man soll nicht umsonst auf Dario warten müssen.“
    Fabrizio
nickte; war er erleichtert?
    Fabrizios
Ziel lag nicht auf ihrem Weg. Statt in Richtung des Vesuvs bog er zum
Pizzofalcone ab und fuhr in eine der schmalen Gassen. Er hielt vor
einer Trattoria; aber nicht dort ging er hinein, sondern klopfte an
die Tür des Nachbarhauses.
    Die
Haustür versperrte Mirella zu ihrer Enttäuschung die Sicht
auf den Menschen, mit dem Fabrizio sprach. Die Vorhänge im
Parterre des Wohnhauses waren geöffnet und eines der Fenster
auch; aber von der Kutsche aus war trotzdem nicht zu erkennen, was
dort vor sich ging.
    Fabrizio
drehte sich um; sein Blick suchte den ihren. „Einen Augenblick
nur, Signorina.“ Dann betrat er das Haus.
    „ Gallo
bianco “ – „Zum weißen Hahn“. Gewiss
hieß hier keine zweite Trattoria so; sie würde wieder
hierher finden.
    Es
dauerte tatsächlich nicht lange, bis Fabrizio herauskam und
aufstieg. Die Gasse endete hinter der nächsten Ecke; er wendete.
Mirella rückte schnell auf die andere Seite der Kutsche und
blickte hinaus.
    Laute
Männerstimmen drangen aus dem Gallo bianco , während
sie sich wieder näherten. Sie klangen alt. Und aufgeregt. Oder
zornig. Aber die Räder ratterten viel zu laut über das
Pflaster, um etwas zu verstehen.
    Gerade
wollte Mirella sich in die Polster der Kutsche zurücklehnen, als
die Tür geöffnet wurde. Zwei Männer traten heraus.
Einer von ihnen trug teures Tuch im modischen Grün und ein Hemd
mit breiten venezianischen Spitzen an den Manschetten, die er über
die Jackenärmel geschlagen hatte. Das Gesicht hatte sie schon
einmal gesehen. Dann drang sein meckerndes Lachen zu ihr und sie
erkannte ihn. „Der Ziegenbock!“ Was tat einer der
Maddaloni an einem solchen Ort? Konnte Darios Brief etwas mit ihm zu
tun haben? Freilich hatte Fabrizio ihn im Nachbarhaus abgegeben, aber
das musste nichts besagen.
    Mirella
kicherte. Sie würde Darios zweites Geheimnis genauso
herausfinden wie das erste.

    ***

    Zu
Hause stürmte sie die Treppe hoch zu Darios Zimmer und riss die
Tür auf, ohne anzuklopfen.
    Dario
stand an seinem Sekretär über einen Stapel Papiere gebeugt
und fuhr erschrocken herum.
    „Fabrizio
hat deinen Brief beim Gallo bianco abgegeben.“ Sie
weidete sich einen Augenblick an seinem schockierten
Gesichtsausdruck. „Im Haus links davon, meine ich damit. War
das richtig so?“
    Dario
nickte. „Woher weißt du das so genau?“ Er legte ein
weißes Blatt auf den
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