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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
Autoren: Martin Wehrle
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wie bei der Bild -Zeitung. Und die Wortwahl klingt ebenso reißerisch: Eine »Sensation« springt mich an, ein »Super-Schnäppchen« schreit nach mir, und ein »unglaublicher Preissturz« ereignet sich vor meinen Augen.
    Offenbar hält man mich für einen patentierten Dummkopf: Ein Teppichhändler will mir alle drei Monate einreden, er baue sein Lager wieder einmal um und verschleudere seine Edelware beim Räumungsverkauf fast für umsonst. Doch die angeblich reduzierten Preise sind immer noch so hoch, dass er wohl nur deshalb ein neues Lager benötigt, um die Scheinchen seiner dämlichen Kunden höher stapeln zu können.
    Die Supermärkte werfen sich mit »Aktionsartikeln« an mich ran. Ob Computerbildschirm, Feuermelder, Kamera, Küchengeräte, Schneeschieber oder CD-Player: Alles, was mein Kundenherz begehrt, liegt beim Lebensmitteleinkauf am Wegesrand.
    Oder es liegt eben nicht dort! In meinem Leben habe ich zweimal Supermärkte extra deshalb betreten, um Aktionsartikel zu ergattern. Einmal wollte ich einen Gutschein für eine Bahnreise kaufen. Die Aktion des Discounters war in seinen Prospekten mit Riesenlettern angekündigt worden. Und zahllose Zeitungen, Radiosender und TV-Stationen posaunten die frohe Botschaft als kostenlose Werbeträger ins Land hinaus.
    Ich hatte es im Radio gehört: dass mich eine Bahn-Fernreise mit dem Gutschein nicht einmal die Hälfte des regulären Preises kosten sollte. Ich nahm mir vor, am ersten Verkaufstag eine Filiale des Supermarktes zu besuchen, um auf jeden Fall einen der günstigen Gutscheine zu bekommen.
    Als ich an besagtem Tag zur Arbeit fuhr, traute ich meinen Augen kaum: Schon zehn Minuten vor der regulären Öffnungszeit reichte die Schlange der Wartenden vor dem Supermarkt bis auf den Gehsteig. »Alles Bekloppte«, dachte ich. Doch als ich in der Mittagspause nach dem Gutschein fragte, rollte die Verkäuferin mit den Augen:
    »Bahn-Gutscheine? Tut mir leid, die waren schon um 10.15 Uhr weg. Da hätten Sie früher kommen müssen.«
    »Aber Sie werben doch damit, dass man heute diese Gutscheine bei Ihnen bekommen kann. Und ich will jetzt einen Gutschein!«
    Sie drehte die Handfläche nach oben: »Ich kann Ihnen leider keinen schnitzen.«
    Ich protestierte. Sie verarztete mich mit einem Trostpflaster: »Ich schreibe mir Ihren Namen und Ihre Telefonnummer auf. Vielleicht bekommen wir noch etwas aus dem Kontingent der anderen Filialen zugeteilt. Aber versprechen kann ich nichts.« Natürlich habe ich nie wieder von dem Supermarkt gehört (und mich nachträglich geärgert, dass ich naiv genug war, meine persönliche Telefonnummer zu hinterlassen!).
    Meine zweite Schnäppchenjagd scheiterte ebenfalls: Der Laptop, der zum sensationell günstigen Preis beworben wurde, hatte sich am Nachmittag des Erstverkaufstages in Luft aufgelöst. Vielleicht gut für mich, denn während ich mit der Kassiererin sprach, wurden ihr zwei der frisch verkauften Laptops von wütenden Kunden zurückgebracht; das Gerät hatte offenbar Macken. Merke: Aktionsartikel sind oft deshalb günstig, weil sie wenig taugen. Großhändler werden so ihre Ladenhüter los.
    Welche Absichten verfolgen die »Lockvogel-Angebote«?
    1. Sie sollen eine Völkerwanderung auslösen, deren Ziel das Geschäft des Anbieters ist. Je mehr Menschen die Verkaufsfläche betreten, desto mehr Geld fließt in die Kasse und desto mehr wächst der Umsatz. Das meiste Geld wird nicht mit dem Aktionsprodukt verdient, sondern mit allem, was man sonst noch kauft.
    2. Neue Kunden sollen gewonnen werden. Ein Lockvogel-Angebot schafft es, Menschen über große Distanzen hinweg anzulocken und anderen Geschäften die treuen Kunden auszuspannen. Wer einmal hier kauft, so das Kalkül, kommt immer wieder.
    3. Den Kunden soll eingeimpft werden: Alles in diesem Laden ist besonders günstig! Die tatsächlich oft (aber längst nicht immer) günstigen Aktionsartikel sollen so hell strahlen, dass der Kunde die oft gepfefferten Preise für andere Waren geflissentlich übersieht. Oder erst an der Kasse bemerkt.
    Wer die Gerichtsurteile zu diesem Thema anschaut, wird den Verdacht nicht los, dass die Aktionsverkäufer vor allem mit einer Ware handeln: leeren Versprechungen.
    Ein paar Beispiele für eine Kundenverdummung, die offenbar System hat:
    Eine große Lebensmittelkette bewarb im Laufe eines Jahres groß und fett einen PC-Monitor, einen Dampfbügelautomaten und eine Katzenfutterstation. Die Produkte waren in Prospekten und auf Plakaten auffällig
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