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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
Autoren: Martin Wehrle
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aufs Abwiegen verzichten).
    Also gut, ich stopfe ein paar Bananen in meine Tüte, eile zur Waage, drücke den Knopf mit dem Bananensymbol – und bekomme den stolzen Preis von 2,70 Euro ausgedruckt. Ganz schön teuer, so ein paar Bananen! Als nächstes schleppe ich einige kleine Orangen zur Waage. Oder sind das Apfelsinen? Mein Blick wandert zwischen den beiden Symbolen auf der Tastatur hin und her.
    Vorsichtshalber pendle ich zurück zum Obststand, präge mir die Nummer der kleinen Orangen – es sind doch welche! – ein und strebe wieder auf die Waage zu. Doch dort hat sich in der Zwischenzeit eine gemütliche Dauerwellen-Frau breitgemacht. An vier Fingern ihrer rechten Hand hat sie eine Obsttüte hängen. In aller Ruhe tippt sie auf der Waage herum und klebt Etiketten. Ich trete von einem Fuß auf den anderen.
    Endlich, die Bahn ist wieder frei! Ich drucke mir das Etikett aus, klebe es auf die Tüte und haste mit meinem Wagen den Gang hinauf. Im Vorbeieilen sehe ich aus dem Augenwinkel den Bananenpreis: 0,99 Euro das Kilo. Wie bitte? Und warum soll ich für etwa diese Menge fast das Dreifache bezahlen? Hat mich der Wiegeautomat übers Ohr gehauen?
    Vollbremsung, Wende, zurück zur Waage. Ich stelle fest: Es gibt zwei Sorten Bananen – Bio- und Normalbananen. Auf der Symboltaste sehen sie exakt gleich aus – wie Bananen eben. Ich reiße meine Tüte auf, schnappe mir eine neue und vertiefe meine Ausbildung als Obsthändler. Jetzt kosten die Bananen nur noch 1,02 Euro.
    Was habe ich mich schon mit Obstkäufen herumgeärgert! Es gibt zwei Arten von Supermärkten: die Selbst-Wieger und die Wiege-Delegierer. Die Selbst-Wieger wiegen das Obst an der Kasse ab, hier dient die Waage den Kunden lediglich zur Orientierung.
    Doch als Kunde ist mir nie klar, mit welcher Art von Supermarkt ich es zu tun habe. Minutenlang habe ich schon an Obstwaagen herumgefummelt, nur um festzustellen, dass sie keine Etiketten ausspucken. Noch peinlicher sind die Rügen im umgekehrten Fall. Die Kassiererin dreht und wendet meine Traubentüte, ehe sie mich streng anschaut:
    »Haben Sie Ihr Obst denn nicht abgewogen?«
    »Doch, hab ich.«
    »Und wo ist das Etikett mit dem Preis?«
    »Ach so, bei Ihnen muss man …«
    »Genau!«
    Vor den Augen der anderen Kunden, die hinter mir eine Schlange bilden, kommandiert mich die Kassiererin mit der scheuchenden Armbewegung eines Feldmarshalls zurück zum Obststand. Ich höre ein Mosern und Grummeln (»Das weiß man doch!«), während ich auf die Obstwaage zueile. Dort stehen schon zwei andere Kunden. Ich muss warten. Als ich wieder an der Kasse bin, liegt Meuterei in der Luft.
    »Sie haben sich wohl verlaufen!« begrüßt mich ein Wartender.
    »Da waren andere vor mir an der Waage«, stammle ich.
    Die Verkäuferin nickt vielsagend.
    Verkehrte Welt: Ich bin der Laufbursche meines Dienstleisters! Man kann mich mit dem Einkaufswagen über Parkplätze hetzen, mich den Regalwald nach Produkten durchforsten lassen, mich als Bäcker meiner Brötchen missbrauchen, mich als Müllmann an den Flaschenautomaten scheuchen (der immer just dann voll ist und ausfällt, wenn ich ihn benutze) und mich in der Schlange so lange warten lassen, bis ich dankbar bin, 80 Euro zahlen und meine Produkte eigenhändig zurück in den Einkaufswagen packen zu dürfen, gehetzt wie ein Fließbandarbeiter von den flinken Händen der Kassiererin und den bösen Blicken der Wartenden hinter mir.
    Nicht der Discounter dient mir als dem Kunden, sondern ich als Kunde diene dem Discounter. Die Arbeitszeit, die das Unternehmen einspart, ist die Einkaufszeit, die ich zusätzlich brauche. Aber dafür werde ich nicht bezahlt, sondern muss auch noch selbst bezahlen.
    Was ist eigentlich super an einem Supermarkt?

2. Des Kunden täglich Not: Abgezockt und fehlgeleitet

D er Kunde ist Freiwild, auf das die Firmen täglich schießen: mit sittenwidriger Werbung, mit überteuerten Preisen, mit lächerlichen Anleitungen. In diesem Kapitel erfahren Sie …
welche falschen Werbe-Lockvögel täglich in meinem Briefkasten landen,
warum die meisten »Anleitungen« nicht einmal ihr Papier wert sind,
warum nichts auf der Welt so sicher ist wie Benzin-Wucherpreise vor Feiertagen,
und wie sich der Preis Ihres Waschmittels verdoppeln kann, ohne dass Sie es merken.
    Wenn Lockvögel fliegen
    Mein Briefkasten gleicht einem Papiercontainer: Jede Firma, die etwas zu bewerben hat, stopft ihre Wurfsendungen, Beilagen und Prospekte hinein. Die Überschriften sind so groß
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