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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
Autoren: Martin Wehrle
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»vergriffen« war;
als meine Versicherung, deren Beiträge ich immer pünktlich bezahlt hatte, mich bei einem Wasserschaden im Regen stehen lassen wollte;
als ich im Regionalzug als Schwarzfahrer abkassiert wurde, nur weil die Bahn AG einen Schalter geschlossen und der Fahrkartenautomat gestreikt hatte;
als ich nach meinem Umzug einen Tag Urlaub genommen hatte, um den Monteur der Telekom zu empfangen, dieser aber den Termin platzen ließ;
als ich im Kaufhaus zwei tratschende Verkäufer mit dem Satz »Darf ich mal stören?« ansprach, die sich aber nicht stören ließen;
als aus den Brettern, die ich bei einem Möbelhaus gekauft hatte, einfach kein Bett entstehen wollte;
als mich meine Bank bei einer Phishing-Attacke im Stich ließ, um dann mein Konto vor mir selbst zu sperren;
als mir in der Computer-Hotline – Minutenpreis 1,34 Euro – bald der Verdacht kam: Der Typ am anderen Ende der Leitung hat noch viel weniger Ahnung als ich;
als ich den Fassadenbauer das dritte Mal bekniete, er möge mir endlich das Angebot schicken – und er mir das dritte Mal vorlog, er würde es noch am selben Tag tun;
als ich das defekte Laufwerk meines nagelneuen Computers gleich zweimal selbst reparieren musste, als unbezahlter Auftragsmonteur meiner Computerfirma.
    All das kommt Ihnen bekannt vor? Solche Nackenschläge kassieren auch Sie? Dann gehören Sie zum Heer der entthronten Herrscher unserer Dienstleistungsgesellschaft. Der Kunde hat sich »vom König zum Knecht« entwickelt, analysiert Die Zei t 1 . Und Der Spiegel nimmt eine wachsende Wut der Verbraucher wahr: »Immer mehr geschundene Kundenseelen (werden) von einer einzigen Emotion dominiert: Hass.« Deshalb »wundert es kaum, dass sich langsam aber stetig ein Heer von rachsüchtigen Kunden bildet, die es leid sind, sich beschimpfen und belügen, vertrösten und versetzen, gängeln und vor allem als billige Helfer missbrauchen zu lassen. Sie nutzen nun die einzige Macht, die sie haben: Flucht.« 2
    Dieses Buch ist eine Flucht nach vorn. Ich möchte den Firmen einmal sagen, was sie sonst nicht hören wollen: meine Meinung als Kunde. Ich möchte dem Bild der zufriedenen Kunden, das in der Werbung gezeichnet wird, diesen glücklichen Frühstücksfamilien, diesen trällernden Vätern, diesen Strahlebabys, einmal den alltäglichen Horrorfilm der Kundenrealität gegenüberstellen.
    Ich will nicht länger der Fußabtreter jener Unternehmen sein, deren Inhaber aus meinem Geld ihre Millionen scheffeln. Ich will nicht länger zuschauen, wie in der Firmenbroschüre die Kundenfreundlichkeit bejubelt, aber gleichzeitig das Kundencenter wie stinkender Sondermüll ausgelagert wird. Und ich werde fuchsteufelswild, wenn deutsche Konzerne rund um den Globus expandieren, ehe sie ihre Hausaufgaben gemacht und die Verbraucher vor der eigenen Haustür zufriedengestellt haben.
    Sicher, ich bin nur einer von vielen, ein kleiner Kunde. Aber was passiert, wenn Massen von Verbrauchern einstimmen? Wenn der Chor unzufriedener Kunden seine Stimme erhebt, so laut und so mächtig, dass er die Mauern der Konzern-Zentralen erzittern und die Manager endlich verstehen lässt?
    Dann schlägt das Pendel vielleicht in die andere Richtung aus. Bis der Kunde kein Arsch mehr ist. Sondern wieder König!

I. Besorg’s dir selbst: Mein Leben als Laufbursche

I mmer mehr Firmen spannen den Kunden als Hilfsarbeiter ein. Sie halsen ihm jene Dienste auf, für die sie dann gepfefferte Rechnungen stellen. In diesem Kapitel lesen Sie …
warum Kunden in Broschüren angebetet, aber im Alltag abserviert werden,
wie mich eine Computerfirma zur Zwangsarbeit am eigenen PC verdonnerte,
wie ich beim Einkauf unfreiwillig ein Krokodil auf die Brust geladen bekam,
und warum Verkäufer im Supermarkt immer eine Tarnkappe tragen.
    Hollywood trifft Servicewüste
    Als Kunde habe ich es gut! Ich bin der Star, um den sich alles dreht, der umgarnte Hauptdarsteller eines Servicefilms. Jeder Manager erklärt mich zum »Mittelpunkt allen Handelns«. Jede Firma lässt mich in ihrer Broschüre hochleben. Und Heere von Marketing-Strategen erforschen, welches meine geheimsten Wünsche sind und wie sich meine Zufriedenheit noch um einen Millimeter steigern lässt. Alle Firmen beten vor demselben Altar: dem der Kundenfreundlichkeit.
    Merkwürdig ist nur: Während dieser Hollywood-Kunde, dieses schöngefärbte Ideal, stets über den roten Teppich flanieren darf, strampelt sein realer Zwilling im Treibsand einer ausufernden Servicewüste. Denn mein
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