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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition)
Autoren: Donald Ray Pollock
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kenne ihn«, sagte ich.
    »Er wird sich wohl nicht mehr daran erinnern, so besoffen war er, aber einmal hat er sich von mir für einen Dollar fast zu Brei schlagen lassen. Nur, damit er sich die nächste gottverdammte Flasche Wein kaufen konnte. Das war vielleicht das Beste, wofür ich im Leben einen Dollar ausgegeben habe.«
    »Er hält sich ziemlich gut«, sagte ich nur.
    »Hab ich auch gehört.« Dann zuckte er mit den Schultern. »Aber er ist immer noch ein Nigger, oder, Bobby?«
    Ich schaute von meiner leeren Tasse auf. Er grinste mich an, hatte einen gemeinen Ausdruck in seinen blassblauen Augen und wartete auf eine Antwort. Ich fragte mich, ob er wohl wusste, dass Jim mein Mentor war. »Ja«, sagte ich schließlich und sah weg, »er ist immer noch ein Nigger.« Dann stand ich auf und ging wieder in die Küche.
    Meine Ma schüttelte den Kopf. »Ich glaube, es geht ihm schlechter«, flüsterte sie. Das sagte sie immer, so als wäre es irgendwann mal tatsächlich besser gewesen.
    »Agnes, wovon sprichst du, zum Teufel?« rief der Alte von seinem Sessel aus. Er hatte Ohren wie ein Hund. Als wir noch klein waren, hatte er uns verdroschen, wenn wir hinter seinem Rücken flüsterten. »Denen werd ich das Tanzen schon beibringen«, hatte er das genannt. Die Zeiten waren zwar lange vorbei, und er konnte nicht mal pinkeln gehen, ohne eine Sauerstoffflasche mit sich herumzuschleppen, trotzdem hatten wir noch immer Angst vor ihm, sogar mein harter Bruder.
    Meine Mutter schnappte sich die Fernbedienung und schaltete den Ton leiser. »Ich hab Bobby nur eben von Jeanettes Beförderung erzählt!« Sie sah mich an und zuckte mit den Schultern. Mom hatte mir schon vor Monaten gesagt, dass Jeanette es in dem Discounter, in dem sie seit Jahren arbeitete, endlich zur stellvertretenden Betriebsleiterin geschafft hatte.
    »Beförderung, Quatsch«, rief mein Vater, und plötzlich klang seine Stimme heiser und schwach. »Hab ich dir erzählt, dass Clyde Chaneys verdammte Tochter ihre Krankenschwesternausbildung fertig hat? Clyde sagt, sie verdient zweiunddreißig Dollar die Stunde. Also, das nenn ich mal ’nen Job, was, Bobby?«
    In der Pizzeria verdiente ich sechs Kröten pro Stunde, und ich versuchte, nicht an all den Mist zu denken, den mein alter Herr über mich verbreitete, wenn ich nicht dabei war. »Ja«, rief ich zurück.
    »Genau so«, hörte ich ihn sagen, »mach den schwarzen Scheißer kalt.«
    Ein paar Minuten lang saßen Mom und ich schweigend am Küchentisch. Sie schaute fern, stellte aber nicht wieder lauter, und ich sah zum Fenster hinaus auf das Feld hinter dem Haus. Es war ein feuchter Märzabend, und weicher grauer Nebel zog von den Wäldern am anderen Bachufer herüber. Ein Hirsch eilte über die Weide und sprang mühelos über einen durchhängenden Zaun. Im Wohnzimmer beendete eine Glocke die nächste Runde.
    »Also«, fragte ich schließlich meine Mom, »was schaust du denn da?«
    »Ach, ich weiß nicht, wie der Film heißt«, antwortete sie. »Ich hab nicht aufgepasst. Ein Krimi, glaub ich.« Sie zog einen Keks aus der Packung auf dem Tisch und tunkte ihn in ihren Kaffee.
    In diesem Augenblick kam mein Bruder in die Küche geschlendert. Er zog sein T-Shirt hoch und machte eine Riesenschau daraus, sich den haarigen Bauch zu reiben. Durch das braune Fell linste ein verblichenes Tweety-Tattoo. Er nahm sich eine Schale aus dem Schrank über der Spüle und löffelte etwas Chili aus dem Topf, der auf dem Ofen stand. »Ich hab ein paar Bierchen im Truck, falls du Durst kriegst«, sagte er.
    »Und ich hab ’nen Job für dich. Kannst Pizzas ausfahren, falls du dich jemals entschließt, arbeiten zu gehen«, entgegnete ich.
    Er zeigte mit dem Löffel auf mich und verzog das Gesicht, so als wollte er gleich in Tränen ausbrechen. Dann lachte er, ging zurück ins Wohnzimmer und pustete dabei auf sein Chili. »Vorsichtig, mein Lieber«, hörte ich unseren alten Herrn sagen. »Ist heiß.«
    »Himmel, ich weiß gar nicht, wie du das aushältst«, sagte ich leise zu meiner Mom. Ich ging nach draußen und zündete mir eine Zigarette an. Es war schon fast dunkel, und ich ging weit auf den vorderen Hof hinaus. Da fiel mir das Geld wieder ein, das ich meiner Mutter zurückzahlen sollte. Nächstes Mal, sagte ich mir. Holzrauch vom Nachbarhaus hing in der eisigen Luft. Ich dachte an all die Jahre als Kind, als es uns verboten war, über die Zäune zu steigen, die mein Vater rings um seinen Besitz gezogen hatte. Er hatte immer alles
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