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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition)
Autoren: Donald Ray Pollock
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du Scheißkerl!«
    »Himmel, Dee«, flehte ich. »Bitte.«
    »Nein. Das hört jetzt auf.«
    Auf der High Street bog sie nach Norden ab; nach all dem Ärger fuhren wir mit leeren Händen nach Hause. Ich zündete meine letzte Zigarette an und starrte hinaus. Als wir in Waverly waren, hatten mich die Pillen in ein süßes, warmes Meer getaucht. Ein paar Minuten lang dachte ich verträumt darüber nach, mein Leben zu ändern; ich beschloss, die Oxys abzusetzen, wenn der Vorrat aufgebraucht war. Mit der richtigen Therapie konnte ich vielleicht noch einen guten Job an Land ziehen. Ich sah mich schon als Vorarbeiter beim Bau, vielleicht sogar als Drogenberater. Wir würden aus dem stinkigen Trailer in ein anständiges Haus ziehen. Ich sah uns sonntags in der Kirche sitzen, unser Sohn sang im Chor. Dann nickte ich ein.
    Als ich aufwachte, war ich verwirrt und orientierungslos. Es war dunkel um mich herum, und ich zitterte vor Kälte. Ich brauchte ein paar Minuten, dann stellte ich fest, dass ich im Pinto vor unserem Trailer saß. Ich stieg aus, der Pappkarton klebte mir am Hintern. Für einen Augenblick dachte ich, irgendein Arschloch hätte sich einen kranken Scherz mit mir erlaubt, doch dann fiel mir die Fahrt nach Portsmouth wieder ein, die Bullen in der Gasse, der Streit mit Dee. Ich ließ mich auf den Sitz zurückfallen, machte mein Feuerzeug an und suchte nach einer Pille. Das Armaturenbrett war leer. Ich stieg aus, riss mir die Pappe ab und beschmierte mir dabei die Hände mit kalter, klebriger Scheiße.
    Ich stolperte auf die Betonveranda, suchte nach meinem Schlüssel und warf zufällig einen Blick durchs Fenster. Dee und Marshall hockten auf der Couch wie zwei glückliche Vögel. Sie aßen Toast, und die Krümel flogen, so schnell plapperte mein Sohn. Ich sah, wie sich seine Lippen bewegten und Wörter herauskamen, die ich noch nie von ihm gehört hatte. Ich drückte mein Ohr an die Tür, mein Herz pochte, und ich hörte seine aufgeregte, stotternde Stimme. Einen Moment lang glaubte ich, Zeuge eines Wunders zu sein. Doch dann erkannte ich langsam, dass Marshall schon die ganze Zeit gesprochen hatte, nur nicht in meiner Gegenwart.
    Ich trat von der Tür zurück und holte in der kalten Luft tief Atem. Ich verstand, dass ich mitten in einem dieser Augenblicke des Lebens steckte, in denen große Dinge möglich sind, wenn man nur gewillt ist, die richtige Entscheidung zu treffen. Ein Auto fuhr vorbei, seine Scheinwerfer strahlten mich an, und plötzlich wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich sah es genau vor mir, wie ich in ein, zwei Jahren zurückkehren würde, bereit, bei meiner Familie alles wiedergutzumachen. Alle würden mich loben, vielleicht sogar meine Vergangenheit vergessen. Doch dann fiel mir die Flasche Oxy im Arzneischrank ein, und ich blieb stehen. Ich hob meine dreckigen Hände, schmierte mir die Scheiße ins Gesicht und in die Haare. Ich drehte mich um, packte die Türklinke und steckte den Schlüssel ins Schloss. Ich merkte, wie im Trailer alles traurig verstummte, als ich die Tür aufdrückte, aber das war mir egal. Noch ein Mal, nur noch ein Mal musste ich spüren, wie es war, gesegnet zu sein, dann würde ich verschwinden.

HONOLULU
    Meistens ist das Einzige, was durch Howard Bowmans müden Kopf geht, das Wort mit vier Buchstaben, der Fluch, den seine Frau im Haus nicht duldet. Als er noch gut in Schuss war, hat Peg ihm ein Ultimatum gestellt. »Genug, Howard. Wenn du dieses vermaledeite Wort noch ein Mal aussprichst, bin ich weg. Du meine Güte, selbst die Enkel hast du schon damit angesteckt.« Und jetzt schaut ihn euch an, er hat Angst es zu sagen, das einzige gottverdammte Wort, das noch einen Sinn ergibt. Fuck. Fuck. Fuck.
    Howard sitzt aufrecht in seinem klebrigen Kunstledersessel, schaut sich das große Foto an, das an der Wand hängt, und dreht sich systematisch die grauen Haare aus dem linken Arm. Peg nervt ihn ununterbrochen mit neuen Aufgaben – Namen, Daten, Zahlen –, aber jeden Morgen ist es so, als wäre eine weitere Sicherung durchgebrannt, als hätte man ihm im Schlaf noch eine wichtige Verbindung im Hirn herausgerissen. Manchmal wünscht er sich, die Frau würde ihn einfach verrotten lassen. Er sehnt sich nach dem Tag, an dem alles ausradiert ist.
    Früher am Tag kam sie ins Wohnzimmer gestürzt und sagte: »Okay, Boss, siehst du das Bild?« Howard schreckte hoch und sah sie mit schmerzlichem Ausdruck in den Augen an. »An der Wand da«, beharrte Peg. »Dein Foto vom letzten
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