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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition)
Autoren: Donald Ray Pollock
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arme kleine Kerl gab keinen Piepser von sich.
    Ein gutes Kind, denkt Howard bei sich, aber irgendwie ist das nicht gut genug.
    Er springt auf und geht schnell durch den Flur ins Gästezimmer. In seiner Brieftasche hat er die genaue Anleitung, wie ein Kochrezept, aber die braucht er heute nicht. Er greift unter die Kommode, zieht ein zusammengerolltes Stück Plastik hervor und breitet es auf dem Boden aus. Dann steht er für einen Augenblick verloren da, nimmt das Gebiss aus dem Mund, wischt es an der Hose ab und steckt es in die Brusttasche. Howard weiß, dass er in der unteren Schublade den Revolver versteckt hat, und für einen kurzen Moment überzeugt ihn das fast davon, noch einen Tag zu warten. Doch dann sinkt er zu Boden, seine trockenen Gelenke knacken wie altes Kiefernholz, er zieht eine Ecke der Plastikfolie wie eine Kapuze über den Kopf und drückt den Revolverlauf gegen seinen weichen Gaumen. Er entsichert. Nimmt seinen Mundgeruch wahr, fragt sich, ob er wohl in die Hose machen wird. »Okay«, sagt er zu sich, »drück einfach ab.« Zum ersten Mal seit ewigen Zeiten gibt es nichts mehr, woran er sich erinnern muss.
    Doch dann hört er ein Geräusch, jemand kommt zur Hintertür herein, wahrscheinlich wieder diese verdammte Frau oder vielleicht die Räuber von drüben. Howard liegt auf dem Boden, der Lauf schneidet ihm in den Gaumen, und er lauscht. Er sollte etwas unternehmen, aber dann müsste er ja wieder von vorn anfangen. Die haben vielleicht Nerven, einfach bei einem einzubrechen, Nerven haben die zweifellos. Bestimmt saugen sie ihm das Benzin aus dem Tank. Verdammt, denkt er, die Mistkerle suchen nach dem Wagenschlüssel.
    Er schmeckt Blut, und plötzlich erinnert er sich daran, wie sein Dad Bill Willard dabei erwischte, als er ihm Benzin aus dem alten Ford-Traktor abzapfte, kurz nachdem Howard zur Grundausbildung bei den Großen Seen abgereist war. Verdammt, war das kalt da. Sein alter Herr schrieb Howard später, dass er allen in Hap’s Bar erzählt habe, Bill könne besser an einem Schlauch lutschen als jede verdammte Frau in Knockemstiff, vielleicht sogar in ganz Ohio. Dann hatte er in großen schwarzen Buchstaben HA ! HA ! daruntergekritzelt, was die halbe Seite einnahm. Das war der einzige Brief von seinem Vater während der ganzen Militärzeit; Scheiße, wahrscheinlich war es der einzige Brief, den Floyd Bowman in seinem ganzen Leben geschrieben hat. Howard starrt an die Decke und sieht zu, wie die Schatten des frühen Nachmittags über den welligen alten Stuck ziehen – so wie die Geister durch seinen Kopf.
    Peg ist in der Küche beschäftigt, sie kocht mit der einen Hand und hält in der anderen das Telefon. Sie wirft klein geschnittene Tomaten in die heiße Pfanne, dann gehackte Zwiebeln, und tritt von dem zischenden Fett zurück. »Er muss wohl eingeschlafen sein«, sagt sie leise ins Telefon. »Die haben ihm was Neues verschrieben, das knockt ihn einfach aus.« Sie deckt die Pfanne zu, dreht die Flamme kleiner und beugt sich vor, um sich eine Zigarette daran anzuzünden. »Niemals«, sagt sie. »Glaub mir, es ist einfacher, zu Hause zu kochen. Beim letzten Mal, als wir im Bob Evans waren, fing er mit dem F-Wort an und hat einfach nicht mehr aufgehört. Himmel, am liebsten wär ich unter den Tisch gekrochen.«
    Sie setzt sich an die Küchentheke und nimmt einen langen, müden Zug von der Zigarette, während ihre Tochter am anderen Ende der Leitung über Sachen redet, von denen sie noch keine Ahnung hat. »Carrie, du verstehst nicht«, sagt Peg schließlich und drückt die Zigarette aus. »Dein Daddy ist im fortgeschrittenen Stadium. Meistens erkennt er mich schon gar nicht mehr.« Sie steht auf und versucht, sich die Falten aus dem langen Cordkleid zu streichen. »Nein, er redet ununterbrochen über Hawaii«, seufzt Peg und schaut zum Fenster hinaus, wo die Abendsonne gerade wie ein brennender Vogel in die andere Welt eintaucht. Und während die herabstürzenden Strahlen die Küche in ein blutiges Rot tauchen, vergisst sie für einen kurzen wunderschönen Augenblick einfach alles.

DIE KÄMPFE
    Jim beäugte mich über seine weiße Tasse hinweg. »Und wie geht’s deinem alten Herrn?« fragte er. Wir saßen im Bridge Street Diner und quatschten über dies und das. Ich qualmte seine Zigaretten und trank Kaffee. Jim war mein Mentor bei den Anonymen Alkoholikern, und wir waren gerade bei der freitagabendlichen Nüchtern-aber-aus-geflippt-Gruppe in der Lutheraner-Kirche an der High Street
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