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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition)
Autoren: Donald Ray Pollock
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über dem Kopfkissen, er reichte fast bis zum Dielenboden. Sam war ein schmaler, aber starker Mann, wie mein Vater, bevor er krank wurde; er fuhr selbst im Winter eine Harley und verdiente sich sein Biergeld mit dem Beschlagen von Pferden. Sam wohnte noch immer im Keller unseres Elternhauses, wenn er nicht gerade mit irgendeiner Schlampe zusammen war, die von der Stütze lebte. Er war zwar noch nie wegen irgendeiner größeren Sache verknackt worden, hatte aber das Aussehen eines Lebenslänglichen. Mein alter Herr hatte ihn schon immer bevorzugt und den Großteil der Liebe, die er in sich trug, auf ihn gerichtet.
    »Der Nigger steckt ’ne Menge Prügel ein, das läuft«, sagte Sam mit einem Anflug von Schadenfreude in der Stimme.
    »Dieser schwarze Scheißkerl«, ergänzte mein Vater. Ich sah auf die Glotze. Zwei Männer, einer schwarz, der andere ein Hispano, standen in der Mitte des Rings und umklammerten sich, als ginge es um ihr Leben.
    »Wer kämpft?« fragte ich, trank einen Schluck Kaffee und wünschte mir, wir dürften im Haus noch rauchen.
    »Zwei Nobodys«, meinte mein alter Herr. »Die dürften nicht mal dort sein.«
    Sam stand auf und schlug mit den Fäusten in die Luft. »Verdammt noch mal«, schrie er in Richtung Fernseher, »warum knutschst du ihn nicht gleich ab?«
    Ich seufzte, schaute mich um und sah mir die Familienfotos an den Wänden an. Auf einem war unsere verschwitzte Familie 1970 am Rand des Grand Canyons zu sehen. Mein Bruder trug da noch Windeln. Ein zahnloser Indianer hatte das Foto für einen Dollar mit unserer Kamera geschossen. Es sollte unser Sommer der Nationalmonumente werden, stellte sich dann aber nur als eine weitere missratene Episode unseres Familienlebens heraus. Als wir an jenem Nachmittag an die Kante traten, hatte der alte Herr unserer Mutter bereits ein blaues Auge dafür verpasst, dass sie mich verteidigt hatte. Damals steckte sie ständig Schläge für andere ein. Ich war zwölf und hatte ein Eiersandwich ausgekotzt, das mir mein Vater in einer Raststätte aufgezwungen hatte. Er fluchte, ich würde auf dem ganzen Heimweg nach Ohio nur noch Hühnerdreck kriegen. Auf dem Foto ist er der Einzige, der lächelt. Seine Muskeln füllen das enge T-Shirt aus, und er kneift gegen die gleißende Sonne von Arizona die Augen zusammen. Ganz so, als habe er mächtig Spaß.
    »Was is’n das da auf deiner Oberlippe?« fragte mein Vater. Er starrte meinen dünnen Schnurrbart an, der nur ein weiterer kläglicher Versuch war, mich neu zu erfinden.
    »Nichts«, sagte ich und drehte mich von dem Foto weg.
    Er sah sich wieder den Kampf an und zog die rot-gelbe Decke zurecht, mit der er sich zugedeckt hatte. »Ich hatte mit vierzehn einen Vollbart«, erklärte er.
    »Und was verdienst du in dieser Pizzabude?« fragte Sam.
    »Genug, um die Rechnungen zu bezahlen«, antwortete ich. Ich wollte nicht darüber reden. Jim hatte darauf bestanden, dass ich mir nach dem Entzug einen Job suchte, und bislang hatte ich noch nichts Besseres aufgetrieben, als in Tommys Pizzaladen Teig zu drehen. Wann immer das Geschäft schlecht lief, musste ich mich mit einem nervösen Vollidioten namens Joey an die Hauptstraße stellen und ein Plastikspruchband hochhalten, auf dem für das neueste 3,99-Spezialangebot geworben wurde. Jedes Mal, wenn irgendein Trottel hupte oder uns den Finger zeigte, drehte sich Joey wie ein Frisbee um die eigene Achse und ließ sein Ende des Transparents fallen. Die Hälfte der Zeit verbrachten wir damit, es vom Boden aufzuklauben. Ich hoffte nur, dass er gefeuert würde oder wieder in die Behindertenschule zurückmüsste.
    »Immer noch dabei?« fragte mein alter Herr.
    »Fünf Monate.«
    »Verdammt«, sagte er, »das ist ’ne ziemliche Zeit ohne ein kühles Bier.« Nach der Geburt meines Bruders hatte er die harten Sachen ganz aufgegeben, aber seine Biere genoss er noch. Er streckte die Hand aus und drehte an dem Ventil oben an der Sauerstoffflasche. »Und was ist mit diesen Alkoholtreffen? Musst du da immer noch hin?«
    »Jeden Tag.«
    »Hast du da jemals einen Typen namens Jim Woodfork getroffen? Mir hat jemand erzählt, der geht da auch hin.«
    Ich dachte kurz nach. Eigentlich sollte ich nicht erzählen, wer bei den Treffen war. Jim war da ziemlich streng. »Tja«, meinte ich, »ich kann nicht …«
    »Der verrückte Hund«, sagte mein alter Herr und schüttelte den Kopf. »Der hätte fast alles für einen Drink getan. War der schlimmste Säufer, den ich je gesehen habe.«
    »Ja, ich
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