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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition)
Autoren: Donald Ray Pollock
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er die Fahrertür auf und schwang seine dünnen Beine hinaus. Das Erbrochene lief ihm aus dem Mund und durchweichte die Aufschläge seiner blauen Arbeitshose. Der Kombi neben uns warf den Motor an und suchte sich einen anderen Stellplatz. Mein Dad hielt seinen Kopf ein paar Minuten zwischen den Beinen, dann richtete er sich auf und wischte sich mit dem Handrücken das Kinn ab. »Bobby«, sagte er zu mir, »noch eine von Mas fettigen Kartoffeln, und du kannst deinen alten Daddy begraben.« Er aß nicht mal genug, um eine Ratte damit durchzufüttern, aber jedes Mal, wenn er seinen Whiskey von sich gab, schob er die Schuld auf Mas Kochkünste.
    Sie gab auf, wickelte das Würstchen in eine Serviette und reichte sie mir. »Denk dran, Vernon«, mahnte sie, »du musst uns noch nach Hause fahren.«
    »Scheiß drauf«, entgegnete er und zündete sich eine Zigarette an, »dieser Wagen fährt von allein.« Dann leerte er den Aschenbecher bis auf den letzten Tropfen. Ein paar Minuten starrte er die Leinwand an und versank in den Polstersitzen wie eine untergehende Sonne. Meine Mom streckte die Hand aus und drehte den Lautsprecher, der im Fenster hing, ein wenig leiser. Unsere einzige Hoffnung bestand darin, dass der alte Herr einpennte, bevor der ganze Abend im Eimer war. Doch kaum war Raymond Burr auf dem Flughafen von Tokio gelandet, schoss mein Dad in seinem Sitz hoch, drehte sich um und starrte mich aus blutunterlaufenen Augen an. »Verdammt noch mal, Junge«, sagte er, »wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst keine Nägel kauen? Du hörst dich an wie ’ne Maus, die sich durch einen verdammten Sack Mais knabbert.«
    »Lass ihn in Ruhe, Vernon«, sagte meine Mutter. »Er knabbert doch gar nicht.«
    »Himmel, das ist doch dasselbe!« sagte er und kratzte sich die Stoppeln im Nacken. »Ich will nicht wissen, wo er die Griffel sonst noch stecken hatte.«
    Ich nahm die Finger aus dem Mund und setzte mich auf die Hände. Das war die einzige Möglichkeit, wie ich mich von ihnen fernhalten konnte, wenn mein Vater dabei war. Den ganzen Sommer über hatte er mir angedroht, mich bis an die Ellbogen mit Hühnerdreck einzuschmieren, um mir das Fingerkauen abzugewöhnen. Er goss noch mehr Whiskey in seinen Aschenbecher und stürzte ihn mit einem Schauder runter. Gerade als ich langsam hinter meine Mutter rutschen wollte, ging die Innenbeleuchtung an. »Na komm schon, Bobby«, sagte er, »wir gehen mal pinkeln.«
    »Aber der Film hat doch gerade erst angefangen«, protestierte Mom. »Er hat den ganzen Sommer darauf gewartet.«
    »Ach, du weißt doch, wie er ist«, sagte mein alter Herr so laut, dass es die Leute in der nächsten Reihe hören konnten. »Ich will nicht, dass er meine neuen Sitze einpisst, wenn er dieses Godzillaviech sieht.« Er rutschte aus dem Wagen, lehnte sich an den Lautsprecherpfosten und stopfte sich das T-Shirt in die ausgebeulte Hose.
    Ich stieg unwillig aus und folgte ihm. Er wankte über den Schotter. Ein paar Mädchen in Hosenröcken stolzierten vorbei, ihre Beine wurden vom Schimmerlicht der Leinwand angestrahlt. Als Dad stehen blieb und sie anstarrte, stolperte ich ihm von hinten in die Beine und fiel hin. »Himmel, Junge«, sagte er und riss mich am Arm hoch wie eine Lumpenpuppe, »krieg doch mal deinen Kopf aus’m Arsch. Jeden Tag benimmst du dich mehr und mehr wie deine bescheuerte Mutter.«
    Das aus Hohlbetonsteinen errichtete Gebäude in der Mitte des Platzes war regelrecht belagert von Menschen. Vorn stand der laut ratternde Projektor, in der Mitte war der Imbissstand, dahinter lagen die Toiletten. Der Geruch von Pisse und Popcorn hing wie Insektenspray in der heißen, toten Luft. Auf dem Klo beugte sich eine ganze Reihe von Männern und jungen Burschen mit baumelnden Schwänzen über einen langen, grünen Metalltrog. Alle starrten nach vorn auf die in Schlammfarben gestrichene Wand. Hinter ihnen standen weitere Männer auf dem feuchten, klebrigen Boden, wippten auf ihren Zehenspitzen und warteten ungeduldig, bis sie an die Reihe kamen. Ein fetter Kerl in Latzhose und mit einem zerfledderten Strohhut kam aus einer hölzernen Kabine gestolpert, biss in einen Zero-Riegel, und mein Alter schubste mich hinein. Die Tür knallte er hinter mir zu.
    Ich spülte, stand da, hielt die Luft an und tat so, als würde ich pinkeln. Von draußen wehten Stücke des Filmdialogs herein, und ich versuchte mir gerade den Teil vorzustellen, den ich verpasste, als mein Dad gegen die Tür hämmerte. »Verdammt, Junge,
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