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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition)
Autoren: Donald Ray Pollock
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stampfte, leckte ich mir das Blut von den Knöcheln. Die geronnenen Stückchen lösten sich im Mund auf und verwandelten meine Spucke in Sirup. Nachdem ich alles Blut heruntergeschluckt hatte, leckte ich weiter an meinen Händen. Ich riss mit den Zähnen an der Haut. Ich wollte mehr. Ich wollte immer mehr.

DYNAMITE HOLE
    Ich kam gerade mit drei Pfeilspitzen in der Tasche und einer toten Kupferkopfschlange, die ich mir wie den Schal einer alten Frau um den Hals gelegt hatte, von den Mitchell Flats herunter, als ich einen Jungen namens Truman Mackey dabei erwischte, wie er im Dynamite Hole seine eigene kleine Schwester vögelte.
    Ich hatte den ganzen Vormittag über rings um die alten indianischen Schmelzöfen nach Feuersteinen gesucht und wollte nun zum Laden unten in Knockemstiff, um sie gegen Schmalzfleisch und Cracker einzutauschen. Maude Speakman schrieb mir für jede Pfeilspitze, die ich ihr brachte, vierzig Cent gut, dann verkaufte sie sie an den Typen aus Meade weiter, der ihr jeden Dienstag Benzin lieferte.
    Es war heiß an jenem Tag, und als ich den Black Run überquerte, knietief im Wasser stand und die grünen Fliegen verscheuchte, die um den zermatschten Schlangenkopf schwirrten, hörte ich hinter der Biegung etwas plätschern. Ich blieb stehen und lauschte eine Minute, dann ging ich weiter und schlich mich bis an die Kante des großen Lochs, das ein Straßenbautrupp vor Jahren auf der Suche nach Schotter in die Schlucht gesprengt hatte. Ich dachte, falls es sich um die verdammte Bande von Jungs handelte, die meinen alten Schulbus mit Steinen beworfen hatte, könnte ich sie vielleicht mit der toten Schlange erschrecken. Henry Skiver hatte mir erlaubt, in dem Bus zu wohnen, der hinter seinem Grundstück stand. Henrys Daddy hatte ihn früher als Hühnerstall benutzt, aber ich hatte ihn ordentlich sauber gemacht, und dann war es nicht mehr so schlimm. In letzter Zeit hatten diese Jungs aber so viele Löcher in das Dach geschlagen, dass ich jedes Mal, wenn es regnete, auch genauso gut in einer Badewanne hätte wohnen können.
    Ich hätte mich beinahe verschluckt, als ich an die Kante kam und den Mackey-Jungen entdeckte; er hatte seine eigene Schwester am Wasserrand niederknien lassen und stand nackt hinter ihr. Ich schlich abseits des Pfades ein paar Schritte näher, legte mich vorsichtig auf den Boden und kroch hinter ein paar Traubenkirschbüsche, um zuzuschauen. Mein Herz pochte so sehr, dass ich dachte, sie würden es hören, aber Truman und seine Schwester machten einfach weiter, als wären sie die einzigen Menschen auf diesem kleinen Flecken von Gottes sündiger Welt.
    Heutzutage würden die meisten Menschen wohl verhungern, wenn sie so lebten wie ich, schätze ich, aber ich habe schon vor Jahren gelernt, dass ein Mann in dieser Welt überleben kann, ohne der Nigger eines anderen zu sein, wenn es ihm egal ist, was er isst. Damals, ich war neunzehn, hatten sie angefangen, die jungen Kerle zum großen Krieg gegen Deutschland einzuziehen, und ich versteckte mich mit nichts anderem als einem Taschenmesser und einem Bindfadenball, den ich aus Floyd Bowmans Scheune geklaut hatte, fast drei Jahre lang auf den Mitchell Flats. Mein Alter bekam einen Anfall, als ich ihm sagte, ich würde der Einberufung nicht Folge leisten, und spuckte mir alle möglichen Schimpfwörter ins Gesicht, so als sei ich nur ein Haufen Dreck. »Jake, du verdammtes Stück Hühnerschiss, wenn du wegläufst, kann ich hier niemandem mehr in die Augen schauen«, sagte er; ich ging in dieser Nacht trotzdem weg. Ich war mein ganzes Leben lang nie weiter als zwei Meilen von Knockemstiff entfernt gewesen. Seitdem ist so mancher Tag vergangen, an dem ich bedauert habe, ihm an jenem Abend nicht klargemacht zu haben, wie ich die Sache sah. Aber verdammt, wie hätte ich meinem Alten denn sagen sollen, dass ich nicht so sehr Angst vor dem Kämpfen hatte, davor, wie die anderen Jungs eingezogen zu werden und mich abknallen zu lassen, sondern davor, die Senke zu verlassen?
    Die kleine Mackey war kaum älter als vielleicht zwölf, aber sie drückte sich gegen ihren Bruder, als hätte sie schon einige Erfahrung vorzuweisen. Truman war fünfzehn oder sechzehn, lang und dürr wie eine Bohnenstange, genau wie sein vorlauter alter Herr. Er presste sich ein paarmal in sie rein, bis sie sich wand, dann sprangen beide auf, reckten die Arme in die schwüle Luft und schrien: »Jesus, erlöse mich!« Und jedes Mal, wenn sie das riefen, ließen sie sich lachend
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