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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition)
Autoren: Donald Ray Pollock
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nach unten und legte einen Gang ein.
    Mein Alter trat aufs Gas, schoss von dem kleinen Hügel, auf dem wir geparkt hatten, und kurvte schlingernd durch die Reihen. Schotter flog gegen die anderen Wagen. Ein alter Mann und eine alte Frau stolperten übereinander, als sie versuchten, uns aus dem Weg zu laufen. Hupen dröhnten, Abblendlichter sprangen an. Wir donnerten die Ausfahrt hinaus, rutschten auf den Highway und fuhren heimwärts, Richtung Westen. Ein Rettungswagen raste mit jaulenden Sirenen an uns vorbei. Ich sah zum Kino zurück, wo gerade das Bild auf der Leinwand flackerte und dann verschwand.
    »Agnes, du hättest ihn sehen sollen«, sagte mein Alter und schlug mit der blutigen Hand aufs Lenkrad. »Er hat der verdammten Brut voll eine verpasst.« Er zog die Flasche unter dem Sitz hervor und nahm einen langen Schluck. »Das ist die beste Nacht meines verdammten Lebens!« brüllte er zum Fenster hinaus.
    »Du hast Bobby in einen Kampf verwickelt?«
    »Worauf du einen lassen kannst«, erwiderte er.
    Meine Mutter beugte sich über den Vordersitz, befühlte meinen Kopf mit ihren Händen und sah mir im Dunkeln ins Gesicht. »Bist du verletzt, Bobby?« fragte sie.
    »Ich hab Blut an mir«, sagte ich.
    »Mein Gott, Vernon«, schimpfte sie. »Was hast du gemacht, du kranker Idiot?«
    Ich blickte auf, da schlug er meine Mutter mit dem Ellbogen. Ihr Kopf knallte gegen die Seitenscheibe. »Du Dreckskerl!« schrie sie und hielt sich das Gesicht.
    »Hör auf, ihn so zu bemuttern«, sagte mein Vater. »Und nenn mich nicht Idiot.«
    Ich rutschte über den Sitz und setzte mich hinter meinen Vater, während wir nach Hause rasten. Jedes Mal, wenn er einen Wagen überholte, nahm er einen Schluck aus der Flasche. Der Wind strömte durchs offene Fenster herein und trocknete mir den Schweiß. Es fühlte sich an, als würde der Impala über der Straße schweben.
Das hast du gut gemacht
, sagte ich bei mir, immer und immer wieder. Das war verflucht noch mal das Einzige, was mein Vater je zu mir gesagt hatte, das ich nicht vergessen wollte.
    Später weckte mich der Lärm eines aufziehenden Gewitters. Ich lag angezogen im Bett. Durch mein Fenster sah ich die Blitze über den Mitchell Flats zucken. Eine rumpelnde Donnerwand rollte durch die Senke, direkt gefolgt von einem hohen, entsetzlichen Klagen; ich dachte an Godzilla und den Film, den ich verpasst hatte. Erst als das Donnern in der Ferne verhallte, ging mir auf, dass das Klagen von meinem alten Herrn stammte, der sich im Bad übergeben musste.
    Meine Schlafzimmertür wurde geöffnet, und meine Mutter kam mit einer brennenden Kerze in der Hand herein. »Bobby?« fragte sie. Ich stellte mich schlafend. Sie beugte sich über mich und strich mir mit ihrer weichen Hand über die blau geschlagene Wange. Dann streckte sie die Hand aus und schloss das Fenster. Im Kerzenschein erhaschte ich einen Blick auf den blauen Fleck, der sich auf ihrem Gesicht ausbreitete wie verschmiertes Traubengelee.
    Sie schlich auf Zehenspitzen hinaus, ließ die Tür offen und ging den Flur entlang. »Hier«, hörte ich sie zu meinem Vater sagen, »besser?«
    »Ich glaub, ich hab’s versaut«, sagte mein Vater. »Der Kopf von diesem Scheißkerl war hart wie Stein.«
    »Du solltest nicht trinken, Vernon«, sagte meine Mom.
    »Schläft er?«
    »Er ist völlig erledigt.«
    »Ich wette meinen Lohnscheck, dass er dem Kind die Nase gebrochen hat, so wie da das Blut geflossen ist«, sagte mein Vater.
    »Wir sollten besser schlafen gehen.«
    »Ich konnte es einfach nicht fassen, Agnes. Der Bursche war doppelt so groß wie Bobby, ich schwöre es bei Gott.«
    »Er ist nur ein Junge, Vernon.«
    Sie kamen langsam an meiner Tür vorbei, stützten sich gegenseitig und gingen in ihr Schlafzimmer. Ich hörte meine Mutter sagen: »Auf gar keinen Fall«, aber nach ein paar Minuten quietschte ihr Bett wie eine rostige Wippe. Draußen legte endlich das Gewitter los, fette Regentropfen trommelten auf das Blechdach des Hauses. Ich hörte meine Mutter stöhnen und meinen Vater nach Jesus rufen. Ein Blitz schoss über den schwarzen Himmel, und lange Schatten wanderten über die kahlen, verputzten Wände meines Zimmers. Ich zog mir die dünne Decke über den Kopf und steckte mir die Finger in den Mund. Ein süßer, salziger Geschmack biss mir in die aufgeplatzte Lippe und zog über meine Zunge. Es war das Blut des Jungen, das noch an meinen Händen klebte.
    Während das Bett meiner Eltern im Nebenzimmer laut gegen die Dielen
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