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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition)
Autoren: Donald Ray Pollock
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gerade an zu essen, als ich Mrs. Mackey jenseits des Hügels nach ihren Kindern rufen hörte; sie sollten nach Hause kommen.
    Selbst hier in diesem Kaff hat sich seitdem viel verändert. Henry Skiver ist vor ein paar Jahren gestorben, aber Pet, seine alte Frau, erlaubt mir weiter, im Schulbus zu wohnen, solang ich mich vom Haus fernhalte. Leute aus der Stadt haben oben auf der Ebene feine Häuser gebaut, und ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag noch erleben würde, an dem die Stadtmenschen die letzten Kupferköpfe vertreiben.
    Die Regierung muss wohl den Burschen, der dabei umgekommen ist, als er nach mir gesucht hat, vergessen haben, denn jetzt schicken sie mir jeden Monat einen Wohlfahrtsmenschen aus Meade her, um nachzuschauen, dass es mir gut geht. Er bringt mir immer eine Tüte mit Lebensmitteln und einen kleinen Umschlag mit Essensmarken, und ich bin schon seit Langem nicht mehr das gewesen, was man hungrig nennen würde.
    Die Mackeys sind, etwa ein Jahr nachdem die Kinder verschwunden waren, einfach weggezogen, keine Ahnung wohin. Ich komme immer noch jeden Tag an ihrem Haus vorbei, wenn ich es schaffe, doch jetzt ist es zugenagelt und leer, genau wie unser Haus in jener Nacht, als ich von der Ebene runterkam, um nach Mas Keksen zu suchen. Ab und zu kommen die Leute noch auf die beiden Kinder zu sprechen, aber ich glaube, eigentlich ist es allen völlig egal, außer mir. Manchmal sitze ich vor Maudes Laden, schaue den vorbeifahrenden Autos nach, tauche meinen Finger in eine Dose mit irgendwas und schmiere es über ein paar Cracker; und dann denke ich unwillkürlich an die beiden da unten im Dynamite Hole. Dann stelle ich mir gern vor, dass sie jetzt dort spielen und sich unter Wasser hinter den toten, verrottenden Zweigen verstecken, in denen Blutegel hängen, schwarz und glänzend wie Juwelen und mit pochenden kleinen Herzen. Und wenn ich daran denke, sage ich bei mir: »Jesus, erlöse mich.«

KNOCKEMSTIFF
    Tina Elliot reist morgen ab, sie will mit Boo Nesser zu einem Ölfeld nach Texas und dort in einem Trailer hausen, und ich fühle mich so elend wie an dem Tag, als meine Mutter starb. Ich habe für heute Schluss gemacht und sitze hinter Maude Speakmans Laden neben dem kleinen Campingwagen und trinke ein paar Pabst Blue Ribbons zu viel. Ich beuge mich vor und spucke etwas Schaum aus. Mein Hals brennt, ich nehme mir noch eine Zigarette und schaue zu, wie sich ein Schwarm schwarzer Mücken um die Spucke sammelt. Ein paar Häuser weiter höre ich Clarence Myers, der mit seiner Alten lauthals wegen eines verlorenen Maismessers streitet, und ich frage mich, wie viel ein Mensch wohl ertragen kann. Er stänkert schon den ganzen Sommer herum wegen dieser verschwundenen Machete, und ich hoffe, wenn Juney sie jemals findet, haut sie sie ihm durch seinen dummen, zahnlosen Schädel. Eine Wagenladung Jungs aus dem Dorf rast die Straße in einem rostfarbenen 56er Chevy rauf und runter, und so wie die Gummi geben, wird es wohl heute Nacht irgendwo wieder einen Unfall geben.
    Ich schätze, ich habe Tina Elliot immer geliebt, vom ersten Augenblick an, als ich sie sah, obwohl sie bis ins Mark verdorben ist. Kurz nachdem ich im Laden angefangen hatte, war sie mit ihrer Mutter reingekommen, da war sie noch ein kleines, unscheinbares Ding und sagte, sie würde mir für einen Reese Peanut Butter Cup einen Kuss geben. Das war, bevor sie alt genug für andere Dinge war, und seit sie anfing, mit Jungs rumzumachen, hat sie einen gesucht, der sie von hier wegbringt. Ich wünschte, ich wäre derjenige, wirklich, aber ich glaube nicht, dass ich jemals die Senke hier verlasse, nicht mal für Tina. Ich bin schon mein ganzes Leben lang hier, wie ein Giftpilz an einem verrotteten Baumstumpf, nicht mal in die Stadt gehe ich, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt.
    Vor Kurzem meinte sie zu mir, ich würde sie an einen Cousin erinnern, unten in Pike County, einen alten verrückten Kerl, der den ganzen Tag mit einer Plastikgeldbörse spielt und mit den Vögeln über allen möglichen Scheiß redet. Ich wusste, sie war high von dem Zeug, das Boo andauernd nimmt, aber es tat mir weh, als sie das sagte, es erinnerte mich daran, wie mein Alter mich einmal mit auf die Kaninchenjagd genommen hatte. Ich kann mich noch an die Enttäuschung in seinem kalten, roten Gesicht erinnern, als ich an jenem Tag im Schnee nicht abdrücken konnte. »Du hast ihn verzogen«, sagte er zu meiner Mutter, als wir wieder zu Hause waren. Bis zu seinem Tod hat er
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