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Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Titel: Klotz Und Der Unbegabte Moerder
Autoren: Christian Klier
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wurde, die wenige Schritte weiter eine spontane Session am Salzmarkt eröffnete.
    Mit einem schnellen Sidestep nutzte Charly eine winzige Lücke und huschte über die Schwelle der »KostBar«. Er atmete tief durch, als er in das spärlich besetzte Lokal trat. Statt lauter, harter Samba-Rhythmen plötzlich Weichspülersound von Santana:
    »Oye como va, mi vida, oye como va …«
    Drei gelangweilte Muttis rund um einen Stehtisch; brave C&A -Blusen, eng gewordene Jeanshosen. Betont achtlos blickten sie sofort wieder an ihm vorbei, bliesen hingebungsvoll ihren Zigarettenrauch Richtung Zimmerdecke.
    Am Tresen, direkt unter dem lautlos rotierenden Deckenventilator, ein südländischer Jungmacho, das pechschwarze Haar mit Gel gebändigt und zum Zopf gebunden. Leise, aber sichtlich erregt diskutierte er mit einem kleinen, untersetzten Bodybuildertyp: Ungesunde Blässe, breite Boxernase und hellgraues Muskelshirt mit schwarzem Puma-Aufdruck. Hohe Wangenknochen und auffallend schmale Augen, registrierte Charly. Typisch russisch.
    »Hey, Charly, altes Haus!«
    Bernhard Winter stand vor ihm, grinste übers ganze Gesicht.
    »Servus, Bernie! Ewig nicht mehr gesehen!« Erfreut boxte ihn Charly auf den Oberarm.
    Winter, ehemaliger Kriminaloberkommissar, war jahrelang im K 1 auf demselben Flur wie Charly tätig gewesen. Vor vier Jahren hatte er dann, mit einundvierzig, überraschend den Dienst quittiert. Im Kollegenkreis war damals gemunkelt worden, Winter, dessen gute Kontakte ins Coburger Rotlichtmilieu schon sprichwörtlich waren, sei damit nur einem drohenden Disziplinarverfahren zuvorgekommen. Bei seinem »Ausstand«, einer legendären Party im »Hotel Festungshof« an der Veste Coburg mit einhundertfünfzig Gästen, Go-go-Girls und der Saragossa Band, hatte er sich öffentlich über »eine größere Erbschaft« seiner Frau gefreut: Sie ermögliche es ihm, künftig auf eigenen Füßen zu stehen. In den letzten vier Jahren hatte Winter dann den größten privaten Sicherheitsdienst der Region Coburg, »Se CO rity«, aufgebaut.
    »Wie geht’s, Alter? Laufen die Geschäfte?«
    »Bestens, Junge, bestens!«, strahlte Winter. »Je mehr Polizisten München bei uns streicht, umso besser für uns Private!« Schneeweiße Jacketkronen, zerknitterte Turbobräune, frisch blondierte Strähnen.
    »Du siehst langsam wirklich wie der Vater von Dieter Bohlen aus«, frotzelte Charly.
    »Pass auf, wenn ich dich hier vorsingen lasse!«, konterte Winter in gespielter Entrüstung.
    »Oye como va« , stimmte Charly ungeniert an, »mi ritmo, oye como va!«, fiel Winter sofort lauthals ein.
    Indignierte Blicke aus der Damenecke.
    »He, ihr Spaßbremsen da drüben! Kommt doch mal rüber!«
    »Lass mal lieber«, beschwichtigte ihn Charly, »die sehen aus wie Elternbeiräte an der Grundschule, die brauchen noch zwei, drei Jahre, bis sie wieder richtig locker sind! Komm, wir gehen lieber mal rauf zum Schlossplatz!«
    »Aye, aye, Sir!« Winter fingerte ein paar Münzen aus der Tasche und knallte sie auf den Tresen. »Hasta la vista, señoritas!«
    Sie traten hinaus auf die abendschwüle Theatergasse, drängten sich an dem kleinen Caipirinha-Ausschank vorbei und ließen sich über den Salzmarkt treiben, wo die spontane Samba-Session ihrem atemlosen Höhepunkt entgegenjagte.
    »Ey, nicht so hüftsteif, Alter!«
    Ein gertenschlankes Girl mit endlos langen schwarzen Haaren, im orangefarbenen »Coburg SambaCity!«-Shirt und knallbunter Hippiehose, versperrte Charly tänzelnd den Weg. Ihre Pupillen waren merkwürdig groß und starr, in der Linken schwenkte sie eine halb leere Alcopopflasche.
    »Wahnsinn, Lady!« Winter zwinkerte ihr verschmitzt von der Seite zu. »Du siehst ja aus wie Cher 1965!«
    »Und sie ist voll wie Janis Joplin 1967«, unterbrach ihn Charly und zog ihn weiter. »Das war doch noch nie unsere Kragenweite, oder?«
    Winter schüttelte amüsiert den Kopf und wandte sich bereitwillig neuen Zielen zu. »Mensch, schau dir das da drüben vor der Bühne an! Ausgelassene Lebensfreude, in unserem ehrbar-seriösen Coburg, bei steifen Residenzlern! Ich werd’s nie begreifen!« Er zeigte auf einen grauhaarigen Brillenträger mit sorgfältig gestutztem Bart, der, wie etliche andere Festivalbesucher, stolz ein gelbes Brasilientrikot trug und, mit Gürteltäschchen, Zip-Hose und Trekkingsandalen, inmitten anderer tanzender Fans verzückt dem Samba-Takt zu folgen versuchte.
    »Der sieht doch aus wie der alte Kripo-Geyer! Gibt’s den eigentlich
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