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Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Titel: Klotz Und Der Unbegabte Moerder
Autoren: Christian Klier
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Rausch mitbekommen.«
    »Die Sache bei Mr. Wash.«
    »Jep. Und dummerweise ist der Mann nicht nur Sportlehrer, sondern auch Sportschütze. Er ist uns zum Kettensteg gefolgt. Ist hoch in den Erker, und den Rest kennst du ja.«
    »Leider.« Klotz leerte den Kaffeebecher. »Barkhoff muss in Panik geraten sein. Er hatte Angst, dass Maxi plaudert. Da hat er ihn einfach kaltblütig erschossen. Vorsorglich sozusagen.«
    »Sozusagen.«
    Escherlich drückte seine Gauloise in den Aschenbecher. »Komm, lass uns gehen, Werner. Das Wochenende wartet.«

Epilog
    Es war Freitag, der 31. Juli. Werner Klotz stand auf dem Sankt Leonharder Friedhof in der Nähe der Webersgasse und starrte schon seit einigen Minuten auf ein Holzkreuz. Heute würden alle Schulkinder in Bayern ihr Jahresabschlusszeugnis bekommen, dachte er. Manche würden zufrieden sein, andere weniger glücklich, und ein paar würden die Klasse nicht bestanden haben. Und es würde einen geben, der bekäme gar nichts. Keine guten und keine schlechten Noten, kein Zeugnis und keine Ferien. Dieses Jahr nicht und auch nicht in den kommenden Jahren.
    Klotz ließ den Blick nach unten wandern. Auf einem Erdhügel lagen Kränze und Blumen, die bald so sehr verwelkt sein würden, dass man sie würde entfernen müssen. Dazwischen lagen Fotos, Stofftiere und Bonbons. Jemand hatte Maximilian die DVD von »Kill Bill« aufs Grab gestellt. Unter Kieselsteinen lagen Zettel, auf die letzte Grüße gekritzelt worden waren. Regen und Sonne hatten das Geschriebene bereits verwischt und ausgebleicht.
    Klotz spürte eine drückende Schuld auf sich lasten. Eine Schuld, die ihm andere und auch er sich selbst auszureden versucht hatten. Die Schuld an Maximilians Tod. Es gab eine Menge Entschuldigungen, um sein Gewissen reinzuwaschen. Hätte Klotz Maxi vorschriftsmäßig im Präsidium verhört, dann hätte dies noch lange nicht geheißen, dass Barkhoff ihn nicht trotzdem getötet hätte. Einen sieb- zehnjährigen Jungen. Einen Jungen mit einer alleinerziehenden, überforderten Mutter. Ein Junge, der sich so sehr einen Vater gewünscht hatte. Der glaubte, einen gefunden zu haben. Der einen falschen Vater gefunden hatte. Der seinen Mörder gefunden hatte.
    Bei dem Wort »Vater« zuckte Klotz innerlich zusammen. Dachte an Maxi, der nicht zu ihm hatte kommen wollen. An Frederik, der nicht zu ihm kommen durfte. Kein Vater, mit dem er Unsinn machen, auf dem Volksfest Geisterbahn fahren konnte. Keiner da, der mit ihm im Herbst Drachen steigen ließ, der kam, wenn er ein Fußballspiel hatte, und ihn anfeuerte. Der bei den Hausaufgaben half und abends vor dem Einschlafen Geschichten vorlas. All das existierte nicht zwischen Frederik und ihm.
    Klotz dachte an Familienanwalt Dr. Höderlein, den Neuen seiner Ex. Trauer und Wut stiegen in ihm auf, und er versuchte, das Bild seines Sohnes loszuwerden, den er diese Ferien nicht sehen durfte. Versuchte, den Geist des anderen Jungen zu beschwichtigen, dem er nicht gerecht geworden war. Gerecht? War man gerecht zu ihm, wenn man ihm sein Kind nahm? Wenn seine Ex nicht so ein hartherziges Luder wäre. Wenn ihr Neuer kein Hai von Anwalt wäre. Wenn er nur wüsste, was er tun könnte, was er hätte anders machen sollen.
    Und Maxi. Wenn sich Maxi nicht in diese dumme Situation gebracht hätte, wäre gar nichts passiert. Warum auch war er vor Klotz abgehauen? Wenn Maxi nicht seine Lehrerin geliebt hätte, dann … hätte, hätte, hätte …
    Aber es gab kein Hätte und kein Wenn. Das hatte er irgendwo mal gelesen, und das stimmte. Zwei Kinder verloren. Und er spürte diese quälende Schuld. Sie brannte in seiner Brust. Und er würde sie nie wieder ganz loskriegen, das wusste er. Er war verpflichtet, mit ihr zu leben.
    Er zog eine vertrocknete Rose aus einem Plastikbeutel. Er hatte sie vorhin, bevor er hierhergekommen war, aus der Asservatenkammer genommen. Das war zwar illegal, aber das war Klotz scheißegal. Das Leben unterschied nicht zwischen legal und illegal, dachte er, das Leben ist . Punkt.
    Er nahm die Rose und hielt sie in den blauen Himmel des letzten Julitages. Für einen Moment musste er an Wasim Ashkani denken. Wasim, der plötzlich nirgendwo mehr aufzufinden war. Der jetzt auf der Flucht war, getrieben von Panik und Angst, in ein Land abgeschoben zu werden, wo man ihn möglicherweise an einem Fleischerhaken aufhängen würde. Dann lieber ein Leben in der Illegalität in Europa. Irgendwo würde er einen Unterschlupf gefunden haben, so hoffte Klotz und
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