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Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Titel: Klotz Und Der Unbegabte Moerder
Autoren: Christian Klier
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so verblüfft, dass er einen Moment zögerte. Tatenlos sah er zu, wie Spielmann die Kante des Daches erreichte.
    »Nicht!«, schrie Klotz.
    Der Studiendirektor sprang.
    Strauchelte über etwas. Fiel mit dem Oberkörper nach unten. Ein durchdringender Schrei.
    »Legen Sie Ihre Waffe auf den Boden und nehmen Sie die Hände über den Kopf!«
    Klotz ignorierte die Aufforderung und lief zu der Kante, hinter der Spielmann verschwunden war. Das durfte doch nicht wahr sein.
    War es auch nicht. Als er ankam, sah er, dass sich Spielmanns Fuß in einem Stahlseil verheddert hatte, das die Dachkante zur Sicherung umgab. Der Studiendirektor hing, nur vom atmungsaktiven Material seiner Sportschuhe gehalten, kopfüber über dem Abgrund. Klotz schnappte nach Spielmanns Fuß.
    »Das darf doch wohl nicht wahr sein!«, wiederholte Klotz seinen Gedanken laut. »Sie sind nicht nur ein unbegabter Mörder! Sie sind auch noch ein ganz miserabeliger Suizident! Das ist ja wohl zum Lachen. Nehmen Sie sich mal ein Beispiel an diesem Werther.«
    »Herr Bieringer«, trompetete das Megaphon erneut, »dies ist die letzte Warnung. Beenden Sie Ihren Amoklauf! Stehen Sie auf und nehmen Sie die Hände über den Kopf, sonst erfolgt die Schussfreigabe!«
    Waren die Kollegen vom SEK denn des Wahnsinns? Er, Klotz, ein Amokläufer? Wie kamen die bloß auf so eine Idee?
    »Herr Kommissar«, röchelte plötzlich eine Stimme neben ihm.
    Klotz wandte den Kopf um. Der Direktor hatte es geschafft, mit auf den Rücken gefesselten Händen durch den Kies bis zu ihm zu robben. Er war bedeckt mit Schmutz, den die ersten Regentropfen in schwärzliche Bahnen verwandelten, die sich über sein Gesicht zogen.
    Klotz strahlte.
    »Mensch, Löterich! Konfrontation gesucht, was? Na, drehen Sie sich um, damit ich Sie losbinden kann.«
    Der Schulleiter gehorchte aufs Wort. Mit der einen Hand hielt Klotz Spielmann fest, mit der anderen knotete er das Seil auf, mit dem Löterich gefesselt war. Als er die Aktion beendet hatte, fixierte er Spielmann mit dem neu gewonnenen Strick. Dann richtete er sich auf.
    Sofort zischte eine Kugel an seinem Kopf vorbei.
    »Seid ihr irre?«, brüllte Klotz. Noch so ein Nichtskönner, schoss es ihm durch den Kopf, während er die Hände nach oben riss. In diesem Augenblick begann es, wie aus Kübeln zu schütten.
    Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche war er festgenommen worden, und auch diesmal hatte man ihn wieder gehen lassen. Ohne Anzeige wegen Beleidigung in diesem Fall. Nachdem er dem Erschießungstod so knapp von der Schippe gesprungen war, hatte Klotz es unterlassen, sich irgendwie aufzuregen oder herumzupoltern. Er war einfach nur froh. Froh, dass der Mörder von Linda Cordes endlich dingfest gemacht worden war. Froh, dass sein Sohn unten heil und glücklich auf ihn gewartet hatte.
    Die Glocke der Jakobskirche schlug halb vier, und er sah auf den Schreibtisch, der sich vor seinem Bauch befand. Da lagen sie. Alle beide. Sein Dienstausweis und seine Waffe.
    Zum Glück waren Escherlich und Haevernick rechtzeitig an der Schule gewesen. Alles hatte sich schnell aufgeklärt. Die Einsatzwagen des SEK waren als Gefangenentransporter missbraucht worden, und Klotz war in seinem Pussy Wagon mit seinen beiden treuen Kollegen ins Präsidium gefahren. Als sie dort ankamen, hatten Polizeipräsident Huber und Staatsanwältin Gulden bereits an der Pforte auf sie gewartet. Hatten Klotz und sein Team öffentlich vor allen Beamten über den grünen Klee gelobt. Die ungewöhnlichen, bisweilen befremdlichen Ermittlungsmethoden des Hauptkommissars waren plötzlich vorbildlich. Ja, im 21. Jahrhundert müsse man den Mut haben, die ausgetretenen Wege einer Ermittlungsarbeit, die auf bloßer Lehrbuchroutine basierte, zu verlassen und neue, unbekannte Pfade einschlagen. So sei das, hatte Huber in pathetischem Ton in die Runde gerufen, und dann hatten sie alle geklatscht.
    Es war nicht so gewesen, dass sich Klotz nicht gefreut hätte, aber für ein echtes, befreites Lachen hatte es nicht gereicht. Beinahe teilnahmslos musste er gewirkt haben, als ihm Huber nach dem öffentlichen Teil seine Amtsinsignien wieder ausgehändigt hatte. Als er ihm mitgeteilt hatte, dass Polizeimeister Bayer von der Inspektion West auf seine, Hubers, Initiative hin seine Anzeige bereits zurückgezogen hatte und dass er, Klotz, nun dastand wie ein völlig unbeschriebenes Blatt. Weiß und jungfräulich sozusagen. Jungfräulich, hatte Klotz gedacht. Er fühlte sich wie alles Mögliche, aber
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