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Klex in der Landschaft

Klex in der Landschaft

Titel: Klex in der Landschaft
Autoren: Tom Sharpe
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einzog. »Die Unterlagen wurden dem Minister zur Genehmigung vorgelegt. Soviel ich weiß, gab es gewisse Bedenken wegen Fragen des Naturschutzes. Um Gottes willen sagen Sie nicht, daß Sie das von mir haben.«
    Sir Giles legte den Hörer auf und dachte über seine Taktik nach. Nach außen hin mußte er sich dem Projekt widersetzen, und sei es auch nur, damit er sein Mandat für den Wahlkreis South Worfordshire behielt; doch Widerstand und Widerstand war schließlich zweierlei. Er investierte beträchtliche Summen in Impérial-Cement-Aktien, die sehr wahrscheinlich von der steigenden Betonnachfrage profitieren würden. Er traf sich beim Mittagessen mit dem Vorstandsvorsitzenden von Impérial Motors, speiste mit dem leitenden Direktor des Verbandes der Autobahnbauer zu Abend, unterhielt sich bei ein paar Drinks mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Straßenbauarbeiter und wies seinen Fraktionsvorsitzenden darauf hin, daß es dringend geboten sei, etwas zu unternehmen, damit die Arbeitslosenrate in seinem Wahlkreis sank.
    Kurz gesagt: Er war der Katalysator im Kräftespiel des Fortschritts. Und dabei wechselte kein bißchen Geld den Besitzer. Für so etwas war Sir Giles ein viel zu alter Hase. Er gab Informationen weiter. Welchen Firmen bald ein ordentlicher Profit ins Haus stand, welche Aktien man kaufen solle und welche abstoßen – mit solchen Mitteln übte er Einfluß aus. Und um sich gegen jeden zukünftigen Verdacht abzusichern, hielt er beim alljährlichen Essen des Naturschutzverbandes eine Rede, in der er zu unermüdlicher und erhöhter Wachsamkeit gegenüber den landschaftszerstörenden Machenschaften der Grundstücksspekulanten aufrief. Er traf rechtzeitig im Haus Handyman ein, um angesichts der Nachricht von dem geplanten Autobahnbau hell empört zu sein.
    »Ich werde sofort eine Untersuchung veranlassen«, verkündete er Lady Maud, als die amtliche Bekanntmachung zugestellt wurde. Er griff zum Telefon. Im Gewächshaus hatte Klex alle Hände voll zu tun, sich Sir Giles’ Telefonate anzuhören. Kaum hatte er sich an den Zierapfelbäumen, die an der Mauer wuchsen, ein paar Blattläuse vorgeknöpft, da klingelte es auch schon. Klex flitzte rein und hörte General Burnett zu, wie er von seinem Bauernhof aus über Schufte in Whitehall wetterte, über Papierkrieg, Grüngürtel und Blaustrümpfe, was Klex alles nicht so richtig kapierte. Gerade wollte er sich wieder seinen Blattläusen widmen, als das Telefon erneut klingelte. Diesmal war Mr. Bullett-Finch am Apparat, der erfahren wollte, was Sir Giles denn nun vorhabe, um den Bau der Autobahn zu verhindern.
    »Sie wird uns den halben Garten kosten«, sagte er. »Die letzten sechs Jahre haben wir gebraucht, ihn auf Vordermann zu bringen, und jetzt das. Das geht zu weit. Es sieht nicht so aus, als ob Ivys Nerven dem gewachsen wären.« Sir Giles heuchelte mit salbungsvoller Stimme Verständnis. Er stelle gerade eine Protestinitiative auf die Beine, sagte er. Es werde auf jeden Fall zu einer öffentlichen Untersuchung kommen. Mr. Bullett-Finch könne versichert sein, daß nichts unversucht bleiben werde. Verdutzt kehrte Klex zu den Blattläusen zurück. Nach all den Jahren gelang es der englischen Sprache immer noch, ihn vor Rätsel zu stellen, und gelegentlich stellte er fest, daß er über irgendeine Redewendung stolperte. Auf Vordermann? Seines Wissens gab es in Mr. Bullett-Finchs Garten nichts, was auch nur im entferntesten wie ein Vordermann aussah. Aber andererseits mußte Klex zugeben, daß auch die Engländer für ihn rätselhaft blieben. Sie zahlten den Leuten mehr Geld, wenn sie arbeitslos waren, als wenn sie arbeiteten. Sie zahlten Maurern mehr als Lehrern. Sie sammelten Geld für Erdbebenopfer in Peru, während ihre eigenen Rentner mit ein paar Groschen auskommen mußten. Sie verweigerten Australiern die Einreiseerlaubnis, aber Russen luden sie ein, sich in England niederzulassen. Schließlich bereitete es ihnen offenbar ein besonders großes Vergnügen, sich von Iren abknallen zu lassen. Alles in allem versetzten sie ihn zwar dauernd in Erstaunen, aber auf eine beruhigende Art. Sie waren nur zufrieden, wenn ihnen irgend etwas Schreckliches widerfuhr, ob nun Überschwemmung, Feuersbrunst, Krieg oder sonst eine entsetzliche Katastrophe, und Klex, dessen Kindheit und Jugend eine einzige ununterbrochene Katastrophe gewesen waren, tröstete sich damit, daß er in einer Gesellschaft lebte, die Unglücksfälle wirklich zu schätzen wußte. Wann, wo und
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