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Klex in der Landschaft

Klex in der Landschaft

Titel: Klex in der Landschaft
Autoren: Tom Sharpe
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frei zu sein. Wäre es nach ihm gegangen, hätte der Krieg ewig weitergehen können. Er wohnte in einem großen Haus, hatte einen Park, in dem er Spazierengehen, einen Fluß, in dem er fischen, und einen Küchengarten, in dem er allerlei anpflanzen konnte – ganz zu schweigen von der idyllischen Landschaft, die ihn umgab, einer Landschaft voller Wälder, Berge und bezaubernder Frauen, deren Ehemänner fern der Heimat kämpften, um die Welt vor Menschen wie Klex zu retten. Selbst des nachts, wenn die Lagertore geschlossen wurden, war es für ihn überhaupt kein Problem, über die Mauern zu klettern und zu gehen, wohin er wollte. Es gab keine Luftangriffe, keinen plötzlichen Alarm, und den ganzen Fragenkomplex, wie man sich den Lebensunterhalt verdient, erledigten andere für ihn. Sogar das Essen war gut, da er den Speisezettel durch Wildern und Gemüseanbau im Küchengarten ergänzte. Klex kam sein Aufenthaltsort wie das Paradies vor, und seine einzige Sorge war, daß Deutschland den Krieg gewinnen könnte. An diese Möglichkeit wagte er kaum zu denken. Ein Deutscher in Deutschland zu sein, war schon schlimm genug gewesen. Wie es wäre, ein Italiener, der ein Deutscher war, aber wie ein Jude aussah, in einem besetzten Großbritannien zu sein, überstieg seine Vorstellungskraft, und der Gedanke, den deutschen Besatzungsbehörden erklären zu müssen, wie es dazu kommen konnte, daß er da war, wo er war und wer er war, jagte ihm Angst ein. Daß sie sich anscheinend über solche unwichtigen Einzelheiten nicht die Köpfe zerbrachen, war einer der sympathischsten Züge der Engländer, aber seine eigenen Landsleute kannte er viel zu gut, um sich einzureden, sie würden sich mit seinen Ausflüchten zufriedengeben. Schicht auf Schicht würden sie seine ausweichenden Antworten so lange abpellen, bis nur noch ein Nichts, der eigentliche Klex, ganz nackt zum Vorschein käme, und was übrig blieb, würden sie wegen Fahnenflucht erschießen. Klex zweifelte kein bißchen an seinem Schicksal, und was die ganze Angelegenheit noch schlimmer machte: Soweit er sehen konnte, waren die Briten absolut nicht in der Lage, den Krieg zu gewinnen. Die Hälfte der Zeit schien ihnen gar nicht bewußt zu sein, daß gerade ein Krieg im Gange war, und wenn, dann führten sie ihn mit einer Unfähigkeit, die ihn verblüffte. Kurz nach seiner Ankunft auf dem Herrensitz hatte der Heeresbereich West im Cleene-Wald Manöver durchgeführt, und Klex hatte das nun folgende Chaos entsetzt beobachtet. Wenn das die Männer waren, von deren kämpferischen Qualitäten seine Gefangenschaft abhing, dann mußte er sein Heil woanders suchen. Er fand es in einem nahegelegenen – bezeichnenderweise unbewachten – Munitionslager, und so legte sich Klex, fest entschlossen, sich selbst zu verteidigen, wenn es schon die Engländer nicht taten, nach und nach ein kleines Waffenlager zu, das er im Wald vergrub. Zwei-Zoll- Mörser, leichte Maschinengewehre, Gewehre, Munitionskisten:
    alles verschwand unbemerkt und wurde, sorgfältig eingefettet und wasserdicht verpackt, unter Adlerfarn in den Hügeln hinter dem Anwesen versteckt. 1945 wäre Klex in der Lage gewesen, in South Worfordshire einen Guerillakrieg zu führen. Aber dann war der Krieg zu Ende, und die Probleme stellten sich neu. Die Aussicht, nach Italien zurückgeschickt zu werden, sagte ihm nicht besonders zu, er konnte sich nicht vorstellen, sich nach so vielen angenehmen Jahren in England auf einmal in Neapel niederzulassen. Andererseits hatte er keineswegs die Absicht, in das zurückzukehren, was von Dresden übriggeblieben war. Es lag in der russischen Zone, und Klex hatte nicht den Wunsch, die Annehmlichkeiten des Lebens in Worfordshire gegen die Unbilden einer Existenz in Sibirien einzutauschen. Außerdem hatte er so seine Zweifel, ob selbst ein besiegtes Vaterland einen Mann daheim willkommen heißen würde, der sich fünf Jahre lang als italienischer Kriegsgefangener ausgegeben hatte. Es erschien ihm viel klüger, wenn er blieb, wo er war, und dabei zahlten sich seine treuen Dienste für die Familie Handyman aus.
    Lord Handyman war ein sehr begeisterungsfähiger Mensch gewesen. Schon lange bevor es allgemein modern geworden war, hatte er die Vorstellung vertreten, daß die Rohstoffquellen der Erde bald erschöpft sein würden, und versucht, die persönlichen Konsequenzen zu umgehen, indem er alles sammelte. Besonders viel hatte er für Kompost übrig, und Klex hatte im Küchengarten gewaltige Gruben
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