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Klex in der Landschaft

Klex in der Landschaft

Titel: Klex in der Landschaft
Autoren: Tom Sharpe
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und sie wurden sämtlich in Korsetts, Mieder, Strumpfhalter und Büstenhalter eingezwängt, die Sir Giles’ Phantasie entfachten und ihn an die Anzeigen in Frauenzeitschriften erinnerten, mit denen sich seine sexuelle Unreife die ersten Sporen verdient hatte. Innerlich war Mrs. Forthby, wenn man nach ihrer unterbelichteten Gesprächsführung urteilte, eine einzige Leere; und diese Leere wollte Sir Giles füllen, da er sich unverdrossen Hoffnung machte, eine Geliebte mit ebenso verruchten Bedürfnissen zu finden, wie er sie hatte. Was das betraf, mußte er allerdings zugeben, daß Mrs. Forthby seinen Erwartungen überhaupt nicht entsprach. Verständnisvoll mochte sie zwar sein – auch wenn er manchmal bezweifelte, daß sie überhaupt Verstand hatte –, doch es fehlte ihr trotz allem am Verständnis für die komplizierten Verrenkungen und Würgegriffe, aus denen für Sir Giles das Vorspiel bestand. Außerdem hatte sie die bedauerliche Angewohnheit, ausgerechnet dann loszukichern, wenn er sich gerade am meisten konzentrieren mußte, und Erinnerungen aus ihrer Pfadfinderinnen-Ausbildung von sich zu geben, während sie die Altweiberknoten fester zurrte, für die er eine solche Schwäche hatte. Am allerschlimmsten waren ihre Zerstreutheit und Geistesabwesenheit (gegen diesen Begriff hatte er nichts einzuwenden). Es konnte durchaus geschehen, daß sie ihn etliche Stunden lang geknebelt und ans Bett gefesselt seinem Schicksal überließ, während sie im Nebenzimmer Freunde mit Tee bewirtete. In solchen Momenten zwangsweiser Besinnung war sich Sir Giles der Diskrepanz zwischen seiner öffentlichen und seiner privaten Stellung am deutlichsten bewußt und hoffte inständig, daß beide nie von irgendeiner verfluchten Frau auf der Suche nach der Toilette zur Deckung gebracht würden. Nicht daß er einen Eingriff in seine Phantasiewelt verschmäht hätte, wenn er nur sicher gehen konnte, daß ihn so etwas nicht zur Witzfigur von Westminster machte. Nach einer derartigen Episode hatte er damit gedroht, Mrs. Forthby umzubringen; gehindert hatte ihn nur sein Unvermögen, aufrecht zu stehen, sogar nachdem sie ihn losgebunden hatte.
    »Wo zum Teufel hast du bloß gesteckt?« hatte er sie damals angebrüllt, als sie um ein Uhr morgens wiederkam. »In der Oper«, antwortete Mrs. Forthby. »Die Zauberflöte. Eine göttliche Aufführung.«
    »Das hättest du mir ruhig sagen können. Sechs Stunden lang hab’ ich hier gelegen und Qualen ausgestanden.«
    »Ich dachte, das gefiele dir«, sagte Mrs. Forthby. »Ich dachte, genau das wolltest du haben.«
    »Ich haben?« kreischte Sir Giles. »Sechs Stunden lang?
    Keiner, der recht bei Trost ist, will sechs Stunden lang wie ein Stubenküken zusammengebunden rumliegen.«
    »Nein, Liebling«, stimmte Mrs. Forthby artig zu. »Ich hab’s bloß vergessen. Soll ich dir jetzt deinen Einlauf machen?«
    »Kommt nicht in Frage«, schrie Sir Giles, bei dem die Gefangenschaft zu einer gewissen Selbstachtung geführt hatte. »Und fummle nicht an meinem Bein rum.«
    »Aber da gehört es nicht hin, Lieber. Es sieht unnatürlich aus.«
    Aus dem rechten Augenwinkel glotzte Sir Giles wie wild auf seine Zehen. »Ich weiß, daß es da nicht hingehört«, brüllte er, »und es war’ auch nicht da, wenn du nicht so verdammt vergeßlich wärst.«
    Inzwischen hatte Mrs. Forthby die Riemen und Schnallen weggeräumt und eine Kanne Tee gemacht. »Das nächste Mal mach’ ich mir einen Knoten ins Taschentuch«, bemerkte sie taktloserweise und lehnte Sir Giles an einige Kissen, damit er seinen Tee trinken konnte.
    »Es wird kein nächstes Mal geben«, hatte er gezischt und eine schlaflose Nacht lang verzweifelt versucht, eine weniger verdrehte Lage einzunehmen. Es war ein leeres Versprechen geblieben. Immer gab es ein nächstes Mal. Mrs. Forthbys nicht vorhandene Figur samt der Tatsache, daß sie seine abstoßenden Schrullen willig akzeptierte, machten ihre Gedächtnisschwächen wieder wett, und wann immer er in London war, kam Sir Giles wieder in ihre Wohnung, jedesmal im stillen inbrünstig betend, daß sie ihn nicht maskiert und gebunden vergäße und einen Monat lang Urlaub auf den Bahamas machte. 
    *
    Auch wenn Sir Giles so seine Probleme mit Mrs. Forthby hatte, mit der Autobahn gab es kaum welche. Die Sache befand sich bereits im letzten Planungsstadium.
    »Sie soll die Bezeichnung Mittelwalisische Autobahn erhalten, M101«, erzählte man ihm, als er beim Ministerium für Umweltfragen diskrete Erkundigungen
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