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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
Autoren: Bastei Lübbe
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Einleitung
     
     
     
     
     
     
     
     
    Die Kirche? »Verlogen, verlogen, verlogen!« Millionen – Gläubige und Ungläubige – empfinden so angesichts der Aufdeckung jahrzehntelangen sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen in kirchlichen Einrichtungen, Pfarreien, Schulen und Internaten. Wütend macht, dass Serientäter – gedeckt und vor Strafverfolgung geschützt – erneut Kinder betreuen konnten. Und dass Opfer zum Stillhalten genötigt, als unglaubwürdig dargestellt und damit ein zweites Mal ihrer Würde beraubt wurden. Noch wütender macht aber die Reaktion der höheren Geistlichkeit. Wenigstens heute Liebe, Güte, Zuwendung für die Opfer? Fehlanzeige! Stattdessen Beschwichtigung, Zeigen auf andere, im günstigsten Fall verdruckste Erklärungen, dass man es zukünftig besser machen wolle. Die Herren präsentieren sich vor Mikrofonen und auf Talkshow-Sofas als welt- und menschenfremde Glaubensbürokraten. (Es gibt auch weiße Raben, das ehrt sie persönlich, ändert aber nicht grundsätzlich die Strukturen zum Besseren hin.) Kirchenmitglieder fühlen sich von denen, die ihre Hirten sein sollten, verraten, die anderen wenden sich mit Grausen ab oder zeigen voll Spott mit dem Zeigefinger auf eine Institution, die nach wie vor in Sachen Ethik und Moral eine Definitionshoheit beansprucht. Allgemein ist die große Empörung. Manche reden von der »größten Krise« der Kirche seit dem letzten Weltkrieg.
    Und damit gerät die Kritik an der Kirche auf die schiefe Bahn. Sie wird kurzatmig und kurzsichtig, sie verhilft zu keinen neuen Einsichten und verändert nichts. Denn der aktuelle Skandal ist kein großer Skandal, jedenfalls nicht, wenn man die gesamte Kirche und ihre Geschichte betrachtet. Dann ist es eigentlich nur ein klitzekleiner Skandal. Aber wer weiß das schon noch? »Geschichte lerne ich nicht, das sind nur die Dinge, die längst vorbei sind«, sagte mir unlängst ein sechzehnjähriger Schüler. Mit dieser Meinung liegt er im Trend. Dieser Trend ist gefährlich, er macht es den Meistern des Vernebelns oder des Beweihräucherns (was ja technisch gesehen das Gleiche ist) leicht. Halten wir darum der Kirche einen Spiegel vor, machen wir die tiefe Kluft zwischen frommem Anspruch und düsterer Wirklichkeit deutlich! Ein Schwarzbuch, ein Sündenregister, ein Schand- und Mahnmal ist nötig, ja herausgefordert. Seitdem ein solches Buch nicht mehr Leib und Leben des Autors und insbesondere des Verlegers kostet, also seit vielleicht 250 Jahren, ist – wenn man die konfessionelle Hetzliteratur aus der Reformationszeit unberücksichtigt lässt – eine stattliche Zahl kirchenkritischer Werke erschienen. Die meisten beschäftigen sich nur mit einzelnen Aspekten des Themas, manche stehen in ihrem inquisitorischen Eifer ihrem Gegner in nichts nach. Oft findet sich Faktenhuberei statt Analyse der Strukturen. Auch dieses Buch ist bewusst einseitig geschrieben, einseitig – aber nicht unfair. Auf die Darstellung »guter Seiten« und auf entschuldigende Hinweise zu »zeitbedingten Irrtümern« und allgemein auf den raueren Charakter früherer Epochen wurde bewusst verzichtet. Wer möchte, kann dies bei Bedarf anderswo reichlich finden. Hier, lassen Sie alle gegenteilige Hoffnung fahren, geht es zum Einstieg in den Höllenschlund der Sünden, Verbrechen und Perversionen der ältesten existierenden Institution der Menschheit.
     
    Ich schreibe das Schwarzbuch nicht aus Hass, sondern aus Trauer, es ist weniger Anklage – mehr Klage. Dennoch muss der Kirche, die heute im Allgemeinen ein freundlicheres, aufgeklärteres und durchaus auch »frommeres« Antlitz aufweist als zu früheren Zeiten, in gewissen Abständen die Larve vom Gesicht gerissen werden, um dahinter die dunkle, die erschreckende Seite dieser Institution zu zeigen. Denn beide Aspekte sind nur zwei Seiten derselben Medaille und die Medaille ist unteilbar. Die Kirche ist im Guten wie im Bösen fast zweitausend Jahre gewachsen, das hat zu Strukturen geführt, die nicht gefallen, die nicht gefällig sind. Kein Wunder, sind diese Strukturen doch so etwas wie tiefe Narben, um ein medizinisches Bild zu gebrauchen: Wunden aus oft lang vergangener Zeit, Wucherungen, Verwachsungen. Die meisten dieser Wunden, das muss ganz deutlich gesagt werden, hat sich die Kirche selbst zugefügt. Und eigentlich alles das, was am Verhalten der Kirche und ihrer Spitzenvertreter heute skurril, verwunderlich, abstoßend oder empörend erscheint, wird von diesen seit alter
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