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Kleider machen Bräute

Kleider machen Bräute

Titel: Kleider machen Bräute
Autoren: Lucy Hepburn
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hätte gefragt, sie hätte Ja gesagt, und das wär’s gewesen. Natürlich wäre es das gewesen. Welchen anderen Weg sollte ihre Beziehung denn nehmen? Nach vier gemeinsamen Jahren ohne nennenswerten Streit, abgerundet durch einen überraschenden Zwischenstopp in einer der romantischsten Städte dieser Welt? Sie würde sagen: »Ja, Reggie, ich will dich heiraten.«
    Da gab es nicht viel zu überlegen.
    Sie versuchte sich auf die Speisekarte zu konzentrie ren und die günstigeren Gerichte zu übersetzen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was sie bestellen könnte. Dabei war Essen im Moment das Letzte, wonach ihr der Sinn stand, und die komplizierten Beschreibungen der Speisen verschwammen zu einem einzigen undeutlichen Irgendwas. Jus von diesem, Kompott von jenem …
    »Guten Abend, Mademoiselle, Monsieur. Möchten Sie vielleicht den Wein probieren?« Der Oberkellner war durch einen jugendlich frisch aussehenden Nachwuchskellner in einem Anzug ersetzt worden, der ihm gut eine Nummer zu groß war. Nervös hielt er ihnen die Flasche zur Begutachtung hin.
    »Sicher«, antwortete Reggie mit einer schnellen Grimasse in Mollys Richtung.
    Reggie hatte keinen Schimmer, ob der Wein in Ordnung war oder nicht; er tat nur so. Molly kam es so vor, als würden sie beide Erwachsene spielen, und hob zur Ermutigung verstohlen den Daumen. Irgendwann einmal würden sie über diesen Abend lachen …
    »Oh!«
    Molly schrie leise auf. Der Kellner hatte sich mitsamt der Flasche vorgebeugt, das Glas verfehlt und eine Ladung Malbec auf das Revers von Reggies Jackett gespritzt.
    »Pardon, Monsieur, ich bitte vielmals um Verzeihung!«, stammelte der junge Kellner entsetzt.
    »Mein bestes Jackett!«
    Genau genommen war es Reggies einziges Jackett. Molly lehnte sich zu ihm hinüber und tupfte mit einer Serviette darauf herum. »Das war ein Versehen, Reggie.«
    »Mit dem man an einem Ort wie diesem nicht unbedingt rechnet, oder?«, flüsterte er ihr zu. »Schon gut, ich schenke selber ein.« Er entließ den sich immer noch entschuldigenden jungen Kellner mit einem Lächeln. »Das ist sicherer.«
    Molly schwieg, während Reggie ihr Glas füllte. »Ich dachte, in Paris müssten die Kellner mindestens fünf Jahre lang die Kellnerschule besuchen, um zu lernen, wie man Gäste nicht mit Wein bekleckert.«
    »Ist doch nicht so schlimm. So etwas passiert schon mal«, antwortete sie. Aber sie seufzte und nahm sein Jackett genauer in Augenschein. Von seinen Sachen war es ihr Lieblingsstück; schmal geschnitten, aus handgewebtem Harris-Tweed. Sie hatten es im Jahr zuvor bei einem Besuch des Edinburgh Festival gemeinsam gekauft. Und obwohl sie wusste, dass die Reinigung die Flecken wieder herausbekommen würde, konnte sie seine Verärgerung ein wenig nachvollziehen. Das Jackett war ein Stück Handwerkskunst, dafür gemacht, ein Leben lang zu halten, solange man es pfleglich behandelte .
    Armer Reggie. Normalerweise war er nicht so empfindlich, aber der heutige Abend war nun mal eine große Sache.
    Molly holte tief Luft und versuchte sich zu entspannen. Theoretisch sollte dieser Abend einer der prickelndsten, aufregendsten ihres Lebens sein. Aber als sie jetzt sah, wie Reggie verärgerte Blicke über die Schulter warf und an der Stelle mit den winzigen Tropfen des – für sie – kostspieligen Weins herumtupfte, zog sich ihr Magen noch mehr zusammen.
    Im Nu war der Oberkellner wieder an ihrem Tisch, entschuldigte sich überschwänglich und bot an, das Jackett auf Kosten des Hauses reinigen zu lassen. Auch der junge Kellner tauchte mit hochroten Wangen wieder auf, stammelte seinerseits eine Entschuldigung, bevor er wieder fluchtartig in Richtung Küche entschwand. Als der Oberkellner dem Fliehenden eine Kopfnuss verpassen wollte, zuckten Molly und Reggie zusammen.
    »Lassen Sie nur«, sagte Reggie. »Ich kümmere mich auf der Herrentoilette selbst darum.« Er sprang auf, stieß mit dem Knie gegen den Tisch und hätte um Haaresbreite die ohnehin schon angespannte Situation noch hundertmal schlimmer gemacht. Dann fasste er sich und zwang sich zu lächeln. »Ich bin gleich wieder da, Molly. Lass mir was vom Wein übrig, ja?«
    »Ich werd’s versuchen«, antwortete Molly trocken und verdrehte die Augen.
    Reggie schoss davon wie ein Blitz. Molly sah ihm nach und wusste, dass er lediglich eine Atempause brauchte, um seine Gedanken zu ordnen. So ging er immer mit stressigen Situationen um. Er entfernte sich vom Schauplatz, um eine andere Perspektive zu
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