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Kleider machen Bräute

Kleider machen Bräute

Titel: Kleider machen Bräute
Autoren: Lucy Hepburn
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bekommen. Reggie war eben mit Leib und Seele Fotojournalist, eine Gabe, die ihm ganz sicher eines Tages den Ruhm und die Anerkennung einbringen würde, nach der er sich so sehnte.
    Zu Beginn ihrer Beziehung fand sie es aufregend, mit diesem dynamischen, medienerfahrenen Mann zusammenzusein, der das Leben in Bildern sah, in Blickwinkeln und Stillleben. Ständig hielt er Ausschau nach der einen großen Aufnahme, dem einen Foto, das sein Leben verändern und die ganze Welt erschüttern würde, das Preise gewann und über das man sprach.
    Er würde es gar nicht schätzen, wenn seine sorgfältig arrangierte Szene in einem Pariser Restaurant zum Slapstick eines »schusseligen Kellners« und »wütenden Restaurantbesuchers« verkamen, sondern sich schwarz ärgern über dieses Klischee. Ausgerechnet heute, am Abend aller Abende!
    Molly trank einen Schluck Wein. Er war vermutlich köstlich, aber sie war viel zu nervös, um wirklich etwas zu schmecken. Noch einmal ließ sie den Blick durch den Raum schweifen und fühlte sich mehr als je zuvor in ihrem Leben als Außenseiterin.
    All das hier war ein bisschen erdrückend. Reggie war kühl und reizbar. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn er so war. Und besonders nicht an dem Abend, an dem er sie bitten würde, seine Ehefrau zu werden.
    Ehefrau! Was für ein erwachsenes Wort. Ihre Kleinmädchenträume von diesem Abend, an dem sie in Freudentränen ausbrechen und sich ihrem Liebsten in die Arme werfen würde, entpuppten sich als genau das – Träume. Kindische Fantasien. In Wahrheit konnte sie sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal leidenschaftlich in Reggies Arme geworfen hatte.
    Die ganz große Leidenschaft konnte aber vermutlich sowieso nicht von Dauer sein. Das hier war schließlich das echte Leben und kein Disney-Film. Menschen gewöhnen sich aneinander. Beziehungen verändern sich. Und nur weil sich bei ihr und Reggie eine Routine eingestellt hatte, sie nicht mehr so oft ausgingen, nicht mehr so viel miteinander lachten, hieß das ja nicht, dass sie nicht die Richtigen für einander waren. Stimmte doch, oder? Ihnen lag viel aneinander, und nur das zählte.
    Sie glaubte wirklich daran, dass ihre Beziehung trotz zunehmender Routine stimmte. Sie wusste jedoch auch, sich nicht eingestehen zu wollen, dass der Druck in ihrem Magen nicht von der Aufregung oder freudiger Erwartung stammte.
    Sie hatte Angst.
    Wenn sie sich die anderen Gäste im Restaurant ansah, bestand kein Zweifel – sie waren in Paris. Hauptsächlich Paare, die Eleganz und unaufdringliche Raffinesse ausstrahlten und sich ununterbrochen miteinander unterhielten, begleitet von lebhaften Gesten und einem Mienenspiel, das so typisch europäisch war. Die Damen trugen alle tolle Frisuren von scheinbar unangestrengter Einfachheit, die für Molly von einem Lebensstil rührten, bei dem sorgfältige und kostspielige Schönheitspflege so normal war wie atmen.
    Weitaus mehr interessierte sich Molly jedoch für die Garderobe der Damen. Mode war ihre Leidenschaft, ihre Berufung und der Hauptgrund, weshalb Reggies unerwarteter Vorschlag, auf dem Weg zur Hochzeit ihrer Schwester in Italien hier einen Zwischenstopp einzulegen, sie in schiere Ekstase versetzt hatte.
    Und so starrte sie schamlos. Dort drüben in der Ecke saß eine Frau, die vom Alter her alles zwischen vierzig und achtzig sein konnte und ein Chanel-Kostüm trug – aus der aktuellen Kollektion! Molly hatte dieses Kostüm bisher nur einmal gesehen, auf einem Schwarz-Weiß-Foto in der britischen Vogue . Aber hier, in natura, versetzte seine Schönheit sie in entzücktes Schaudern. Dieser Schnitt! Dieser klare, knappe Saum und die Bordierungen – es war so unglaublich vollkommen! Und direkt dahinter eine stockdürre Dame in austerngrauem Balenciaga, das ihren Körper umspielte wie ein zärtliches Streicheln. Der Anblick erinnerte an die Marmorstatue einer griechischen Göttin. Mollys Herz schmolz dahin und am liebsten wäre sie hinübergelaufen, um die seidigen Falten zu berühren. So absonderlich wäre das doch nicht, oder? Die Trägerin würde es sicher verstehen.
    Während Mollys Blick weiter durch den Raum wanderte, spulte sie im Kopf Namen von Modeschöpfern ab und vergaß, umgeben von diesem berauschenden Ansturm an Ikonen der Branche, unauffällig zu schauen. Der Hermès-Schal dort drüben, als Turban getragen – genial! Das graue, schmal geschnittene Kleid von Delametri Chevalier, perfekt wie immer. Wunderbar, Chevalier hatte es in dieser Saison
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