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Klassenfahrt zur Hexenburg

Klassenfahrt zur Hexenburg

Titel: Klassenfahrt zur Hexenburg
Autoren: Stefan Wolf
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vorschlägt.“
    „Es sei denn, alles erübrigt
sich“, sagte Gaby, „weil mein Freund Tim das verschleppte Kind vorher findet.“
     
    *
     
    Die beiden Typen hatten sich
getrennt.
    Gaston schlenderte zum Lager,
Alain latschte zum Ort.
    Tim folgte Alain. Es war
leicht. Der Rothaarige rechnete nicht mit Verfolgung. Außerdem kannte er Tim nicht.
    Dämmerung senkte sich auf die
Mittelmeerküste. Die Yachten setzten Positionslichter.
    Tim ließ keinen Blick von
Alain, hielt aber Abstand. Der Weg führte am MIRAMAR vorbei. Der Spiegelsaal,
wo sich hungrige Gäste einfanden, war erleuchtet. Verblüfft stellte Tim fest,
dass sein Appetit verflogen war. Die Aufregung. Wo wohl Gaby jetzt steckte? Ob
sie Leluc gefunden hatte?
    Der Rothaarige steuerte ein
Stadtviertel an, das östlich und etwas außerhalb lag. Nicht gerade eine Gegend,
wo Millionäre ihren Feriensitz errichtet haben, aber immer noch ansehnlich.
Blühende Hecken umgaben die Gärten. Einsehen konnte man die Grundstücke nicht.
Aber die Dächer schimmerten zwischen Pinien und Mandelbäumen.
    Alain verhielt und sah sich
argwöhnisch um.
    Tim war in den Schatten eines
Ölbaums getaucht und stand still wie ein Denkmal.
    Er sah, wie der Bursche über
eine Pforte flankte, dabei mit dem Schuh hängen blieb und sich fast das Genick
brach.
    Er verschwand im Garten. Tim
folgte.
    Ein kleines Haus döste hinter
Sträuchern. Kein Licht, kein Laut. Die Gartenmöbel auf der Terrasse trugen
Plastikhüllen.
    Ein Ferienhaus. Aber die
Besitzer waren nicht anwesend.
    Tim begriff. Gaston und Alain
waren eingebrochen und hatten die kleine Madeleine hier versteckt. Im Keller?
Gefesselt, geknebelt? Oder mit Drogen betäubt?
    Da Madeleine allein zur Stadt
und zum Geigenunterricht fuhr, konnte sie ganz klein nicht mehr sein.
    Tim horchte. Nichts. Wo steckte
der Kerl? Im Haus? Die Fenster, die Tim an der Schmalseite sah, waren
unversehrt, die Sonnenblenden geschlossen.
    Er bog um die Ecke, leider zu
hastig, weil dahinter kein Laut war.
    Alain glotzte ihn an. Er stand
vor einer Tür und war ein halbes Dutzend Schritte entfernt. Schreck malte sich
in sein hartes Gesicht. Dann wirbelte er herum und gab Fersengeld, dass der
Sand auf den Steinplatten hüpfte.
    Tim war mindestens ebenso
schnell, übersah aber den aufgerollten Gartenschlauch.
    Ein Stolperdraht hätte nicht
besser gewirkt. Tim hob ab wie ein Segelflugzeug, hatte enormen Schub drauf,
reagierte allerdings mit Nahkampfreflexen. Statt knochenbrecherisch zu landen,
drehte er eine Judorolle, die nur ein paar Hautfetzen kostete.
    Er kam hoch, fand sein
Gleichgewicht und sprintete weiter. Trotzdem hatte er Zeit verloren. Alain, der
sich hier auskannte, gewann Vorsprung und war nicht mehr zu sehen.
    Vor dem Grundstück führte eine
menschenleere Straße vorbei, die Rue Corniche — wie das Schild an einer Mauer
verriet.
    Tim sprang über die vordere
Gartenpforte, wo die Hausnummer angebracht war: 106.
    Er blickte nach links. Nichts.
Dann entdeckte er den Burschen. Alain rannte die Straße nach rechts hinunter
und verschwand eben hinter der Ecke einer langgestreckten Gartenmauer.
    Jetzt ging’s ums Ganze,
vielleicht sogar um Madeleines Leben, falls das Mädchen nicht in Nr. 106 war.
    Tim sauste los wie mit dem
Katapult abgeschossen, entdeckte den Kerl in einer Seitenstraße, holte auf und
ihn ein, als Alain gegen eine erleuchtete Telefonzelle taumelte.
    Er war ausgepumpt. Seine
Raucherlungen quietschten. Dennoch riss er ein Schnappmesser aus der Tasche,
und — SSSttt-Cliiick — zuckte die Klinge hervor.

    Tim trat ihm den Käsedolch aus
der Hand. Alain ging unter zwei Schlägen zu Boden, rollte auf den Bauch und gab
würgende Laute von sich.
    Tim zog ihn hoch. Der Kidnapper
wurde gegen die Telefonzelle gestoßen. Sie wackelte. Drinnen fiel der Hörer vom
Haken.
    „Es ist aus“, fuhr Tim den Kerl
an. „Aus! Ihr habt verspielt. Du und dein Freund Gaston. Lind jetzt sag, wo die
kleine Madeleine ist. Sonst...“, drohend hielt er ihm die Faust vors Gesicht,
„erkennst du dich im Spiegel nicht wieder.“
    Alain konnte nicht stehen.
Seine Knie knickten ein. Er wäre umgekippt, hätte ihn Tim nicht gehalten. Und
so knieweich war auch sein seelischer Zustand.
    „Sie... ist doch... in dem
Haus“, keuchte er.
    „Welches Haus?“
    „Wo... wo wir eben waren.“
    „Rue Corniche?“
    „Ja.“ Er würgte und drückte
eine Hand an den Magen. „Ist... ein Ferienhaus von einer Pariser Familie. Wir
haben die Hintertür geknackt und
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