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Klassenfahrt zur Hexenburg

Klassenfahrt zur Hexenburg

Titel: Klassenfahrt zur Hexenburg
Autoren: Stefan Wolf
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nach Süden, vorbei
an Korsika und Sardinien. Algerien und Tunesien könnten das Ziel sein.
Vielleicht haben Schmuggler das Mädchen mitgenommen.“
    Auf dem Tisch stand ein
Windlicht. Die kleine Flamme zitterte, als bezeige sie Anteil an Madeleines
Schicksal.
    „Es wäre grausig, Tim. Beinahe
hättest du die Kleine gerettet. Ihr Vater jubelte schon. Jetzt ist er
verzweifelt.“
    „Wenigstens muss er dem Leluc
keinen Giftfisch servieren. Auch wenn er’s nun bestreitet — ich glaube nach wie
vor, er hätte es gemacht. Aber das ist nur Vermutung und ohnehin kein Thema
mehr. Leluc kann sich, wenn er noch mag, mit Fugu den Bauch vollhauen.“
    „Geht’s dir auch so? Ich habe
Madeleine noch nie gesehen, aber ich fühle mich für sie verantwortlich.“
    Tim nickte und trank einen
Schluck von seinem Orangensaft.
    Aus Neugier sahen sie sich die
Spätnachrichten im Fernsehen an. Über den Fall Madeleine Nagusaki wurde
ausführlich berichtet, das Kind auf einem Foto gezeigt. Das Mädchen war
dunkelhaarig und hübsch — mit leicht japanischem Einschlag.

    Die Polizei, hieß es, stehe vor
einem Rätsel. Die Öffentlichkeit wurde zur Mitarbeit aufgerufen und um
eventuelle Hinweise gebeten.
    Damit hatten die TV-Reporter
alles geliefert, was der Kidnapper brauchte. Denn jetzt wusste er, wem das Kind
gehörte. Und noch während der Nacht meldete er sich telefonisch bei Haito
Nagusaki und forderte 300 000 US-Dollar als Lösegeld. Auf Dollars bestand er,
weil er — wie er sich ausdrückte — kein Vertrauen mehr habe in die todgeweihten
europäischen Währungen und auch vom Euro nichts halte.
    Haito Nagusaki war entsetzt —
unter anderm deshalb, weil er das Geld nicht besaß und diese Summe niemals
aufbringen konnte. Was er hatte, waren Schulden. Nur Schulden.
    Noch während der Nacht
verständigte er die Polizei, was ihm der unbekannte Erpresser nicht verboten
hatte.
    Tim und Gaby erfuhren am
nächsten Morgen davon, als sie Kommissar Godard aufsuchten.
    Die Situation war verzweifelt.
Der Erpresser hatte mit Madeleines Ermordung gedroht. Die Summe sollte ihm
innerhalb von drei Tagen übergeben werden.
    Aber woher sollte Haito das
Geld nehmen? Doch der Japaner hatte die richtige Idee. Über Funk und Fernsehen
richtete er einen Aufruf an die Öffentlichkeit. Unter dem Motto Spenden für
Madeleine wurde bei einer Bank ein Konto eingerichtet.
    Wie würden die ungezählten
Millionäre und Multi-Millionäre, die hier lebten, reagieren? Würden ihre Herzen
aufgehen — und damit auch die Brieftaschen? Würden sie spenden für ein
achtjähriges Mädchen, bei dem es um Leben oder Tod ging?
    Bis zum Abend des zweiten Tages
gingen über 2000 Spenden auf das Madeleine-Konto ein. Umgerechnet viel mehr als
300 000 Dollar.
    Der Erpresser verfolgte
offensichtlich, was sich in aller Öffentlichkeit abspielte. Eine kurze,
telefonische Nachricht erreichte Haito. Der Kidnapper war zur Übergabe bereit.
     
    *
     
    Den Abend hatte er in
Chicvillage verbracht, in seiner Stammkneipe, der einzigen weit und breit, in
der man seinesgleichen duldete. Jetzt, gegen 23 Uhr, machte er sich auf den
Heimweg.
    Eine lange Strecke war das —
bis zum Nachbarort, wo er zur Zeit in einem Schuppen hauste. Aber das störte
ihn nicht. Er war zeitlebens getippelt. Obwohl alt und kaputt — laufen konnte
er noch, der Pennbruder George Arnaud, genannt Leguan.
    Die Nacht war schwarz. Wolken
drückten Schwüle auf die Küste, als er neben der Schnellstraße westwärts
tappte. Sie war wenig befahren. Vielleicht lag’s am Wetter. Gewitter drohte. Da
blieb zu Hause, wer nicht raus musste.
    Schläfrigkeit lastete auf
seinen Lidern. Hatte er zuviel gebechert? Natürlich, wie immer.
    Irgendwann stolperte er.
    Grinsend spürte er Gras unter
seinem Eidechsengesicht, dem er den Spitznamen verdankte.
    Das Gras war weich und roch
angenehm. Im Übrigen wäre ihm auch ein Nagelbrett recht gewesen. Fünf Schritte
neben der Leitplanke der Straße schlief er ein.
    Als er aufwachte, war sein Kopf
beinahe klar. Er starrte in die Finsternis. Dann hörte er den Wagen. Er kam aus
Richtung Chicvillage. Jetzt verlangsamte er das Tempo. Scheinwerferstrahlen
befingerten eine krumme Pinie, die in der ganzen Gegend bekannt war.
    Aha! Bis hierher war er also
schon gekommen.
    Als ihm das Tier auf die Beine
sprang, zuckte er zusammen. Vielleicht schrie er auch auf. Aber der röhrende
Motor, jetzt auf gleicher Höhe mit ihm, übertönte das.
    Das vermeintliche Tier kippte
von seinen Beinen und blieb
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