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Kiosk

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Titel: Kiosk
Autoren: Sabine Werz
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Kwiatkowski sind über den Zaun geklettert, die Lust dazu hat beide überkommen, weil sie sich nichts zu sagen haben. Kwiatkowski läßt sich zuerst in die Grube herab. Buddy nickt grüßend, den Federfuß kann ihm keiner wegnehmen, der sitzt fest.
    Karla lehnt Kwiatkowskis Hilfe ab. Unwegsames Gelände ist sie gewohnt. Das kennt sie von den archäologischen Grabungen, bei denen sie mitgeholfen hat. Und die kunstvolle Art, ein Mosaik zu legen, kennt sie auch. Spätes augusteisches Zeitalter, tippt sie, als sie neben Buddy und Kwiatkowski in die Hocke geht und mit der Hand Sand wegfegt. Das Mosaik geht unter der Erde an anderen Stellen weiter, soviel sieht sie auf einen Blick.
    Kwiatkowski entwindet Buddy mit sanftem Griff die Schaufel. Man kann beim Licht der Laterne keine Farben erkennen, aber den Fuß. Er mißt zwei Handlängen. Der Flügel ist klein, nur eine Andeutung. »Wada?«
    »Hermes, der Götterbote, oder Merkur, wie die Römer ihn nannten«, sagt Karla langsam. Buddy schluckt die Worte einzeln. Römer muß er kauen, Hermes sitzt quer im Hals, ein Wort bleibt oben, weil er ein ähnliches selber hat. Das Wort sucht seinen Zwilling.
    Kwiatkowski legt die Hand auf den Flügel, Buddy schiebt sie weg, er will den Flügel anschauen. »Markor«, sagt er und weiß, daß das wieder nicht stimmt, aber immerhin fast.
    »Ich schätze, das ist einer der wertvollsten Funde seit dem Dionysos-Mosaik«, stellt Karla sehr sachlich fest, sie richtet sich auf und kann kaum atmen.
    »Buddy, du bist ein Teufelskerl«, sagt Kwiatkowski. Dann umarmt er Karla, die ihn küßt. Was das ist, weiß Buddy. Ihn küßt Karla auch, was Kwiatkowski verdammt zu sachlich findet. Und dann springt bellend Filou ins Loch.
    »Nikita?« ruft Karla nach oben. Das Mädchen liegt auf dem Bauch und robbt sich heran. Die Haarsträhne hat sie hinters rechte Ohr geklemmt. Sie lugt vorsichtig über den Rand des Schachts. Sogar der Eckenflüsterer lächelt.
    »Habt ihr noch einen Schatz gefunden?« will Nikita wissen.
    Im offenen Büdchen muß der Dachdecker sich selbst bedienen. Kalle findet, daß das Diebstahl ist, aber der Dachdecker schreibt alles auf den Deckel. So macht man das. Kalle lernt noch mehr in dieser Nacht. Als sie im Loch ankommen, um zu kontrollieren, wer ihre Baustelle benutzt. Nämlich daß der Fuß Merkur gehört, und daß Merkur der Gott für Händler, Lügner und Diebe ist.
    »Für Diebe? Unglaublich«, sagt Kalle, »daß die einen eigenen Gott haben. Unglaublich.«
    »Du hast eben keine Ahnung«, sagt der Dachdecker wichtig. »Sach mal Kwiatkowski, was ist der Fuß wohl so wert?«
    »Kaufen kann ich den nicht«, sagt Kwiatkowski grinsend.
    »Und der gehört jetzt dem Krahwinkel? So’n Mist.«

24
    S o ein Mist«, findet auch Krahwinkel, denn der Fuß gehört zunächst einmal den Denkmalpflegern. Da hilft keine Schreierei am Handy, nicht mal auf zweien. Am Dienstag nach Ostern sind die Museumsfachleute schon da und haben rollenweise rotweißes Plastikband dabei. Sie lassen sich Zeit, so eine Kostbarkeit will genossen werden, bedächtig schreiten sie über das Grundstück, sammeln sich beim Schacht, planen wortreich, bewundern still.
    Krahwinkels Baggerführer steht an Lenchens Bude und bestellt seinen zweiten Kaffee. Seine Kollegen sind schon weiter, andere Baustelle.
    »Das wird hier nichts mehr«, sagt er. Er kennt sich aus, ein paar römische Villenreste sind kein Drama, die werden vermessen, bißchen was abgetragen, man nimmt sich paar Keramikscherben mit, er hat auch welche, dann wird weitergebaut.
    Aber ein so gut erhaltenes Bodenmosaik, »das kann dauern, der Krahwinkel kann sein Parkhaus erst mal begraben«. Der Dachdecker hört aufmerksam zu. So ist das mit seinen Glückssträhnen, die reißen irgendwann einfach ab wie morsche Schnürsenkel. Immer muß man von vorn anfangen.
    »Brauchen die bei so was denn keine Fachleute?« will er vom Baggerführer wissen. Der mustert ihn. »Fachleute schon. Die meisten sind Studenten, die machen das umsonst.«
    »Studenten?« Der Dachdecker ist nicht zufrieden.
    »Na ja, bei so einer Sache wird die Stadt wohl Geld rausrücken für richtige Archäologen, gibt auch Stiftungen. So was kommt später ins Museum. Zieht 'ne Menge Publikum. Aber das dauert. Ist Zentimeterarbeit, brauchste Fingerspitzengefühl, keine Bagger. Und das Abtragen, weia, weia, Sauarbeit.«
    »Das wird sich der Krahwinkel nicht bieten lassen«, hofft der Dachdecker. Ihm mißfällt außerdem, daß die vom Museum den
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