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Kiosk

Kiosk

Titel: Kiosk
Autoren: Sabine Werz
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eines sehr jungen Mannes nachgeformt und halb mit Blattgold bezogen. Der mit dem Hut hat das beifälligste Grinsen, als wisse er, wer dieses Tableau inspiriert hat.
    Wenn eine Arbeit fertig ist, trinkt Kwiatkowski Champagner und feiert sich stumm. Er öffnet die Flasche, der Korken springt, rollt unters Fenster. Kwiatkowski schaut hinaus, es ist schon dunkel, der Kiosk leuchtet, er sieht Karlas Hände, die eine blendendweiße Tüte über die Theke reichen. Er will den Champagner diesmal nicht allein trinken. Sehnsucht ist lästig.
    Überhaupt fühlt er sich am wohlsten, wenn das Verliebtsein vorbei ist, dann beginnt das süße Schweben der Lust, und die Stille ist dichter. Er würde Karla auch gerne mitnehmen auf die Reise. Verliebt reist es sich nicht bequem, man sieht einfach nichts oder alles und alles verkehrt. Er will mit offenen Augen reisen, Karla neben sich, es geht doch um mehr. Sie kann reden, darauf versteht sie sich besser als er.
    Er stellt die Flasche ab, zieht eine Jacke an und geht hinunter. Karla grüßt stumm. Das ist schon was. Er hilft ihr, den Zeitungsständer in den Kiosk zu ziehen, nimmt die Eisfahne ab.
    Beim Antiquar ist noch Licht, jetzt könnte er mal wieder seine Walküren auflegen, tut er aber nicht. Die Nacht nach den Feiertagen hängt erschöpft in der Gasse. Kwiatkowski sieht zu, wie Karla das Geld zählt, sie hockt nicht wie Lenchen, sie steht an der Truhe und schreibt die Zahlen auf einen Block, addiert stumm.
    »Wir müssen reden«, sagt er.
    »Müssen wir?« Sie hebt eine Braue im Spott. Dann schaut sie wieder sachlich, zählt, notiert. »Trinken Sie ein Glas mit mir? Ich hab was zu feiern.«
    Karla schüttelt nur einmal den Kopf. Die Kühlschränke schalten rasselnd auf Kühlung. Kwiatkowski fällt nichts mehr ein, außer: »Soll ich das Rollgitter herunterlassen?« Nichts kann er ihr recht machen.
    »Ich will noch raus, bißchen Luft schnappen.« Warten, ob Nikita noch kommt, sie weiß jetzt Bescheid. Lenchen hat von »Spritzebilla« erzählt.
    »Dann komm ich mit.«
    Sie treten vor die Tür. Karla verschränkt die Arme vor der Brust, sieht ebenfalls sehr sachlich aus. Nie hätte Kwiatkowski geglaubt, daß er sich jemals nach den Walküren sehnen würde, aber er will das Ganze so gern auf den Anfang zurückstellen. Als Karla noch eine Erscheinung war. Er ist ein Idiot. Sie ist ein rätselhaftes Ärgernis. Er steckt die Hände in die Taschen.
    Am anderen Ende der Gasse, kurz vor der Schnellstraße, erklären sich zwei Trinker die Welt und geraten darüber in Streit. »Ruhe. Ich schlafe«, brüllt einer aus den Festungshäusern.
    Endlich fällt Kwiatkowski eine Frage ein, in etwa, ob Karla gefunden hat, was sie sucht. Bevor er sie stellen kann, lenkt ein Geräusch ihn davon ab. Es kommt von der Baustelle. Ein Knirschen, Metall sticht in Sand.
    »Sag bloß, der Dachdecker legt wieder los«, meint Kwiatkowski. »Dafür haben die doch den Bagger.« Das Geräusch entwickelt einen gleichmäßig schuppenden Rhythmus. Die beiden stehen und lauschen. Metall knirscht in Sand, Metall kratzt auf Stein.
    »Das ist nicht der Dachdecker, das ist Buddy«, stellt Karla fest. »Er ist zurückgekommen, um seine Arbeit zu Ende zu bringen.« Woher weiß die so was immer, wundert sich Kwiatkowski, denn natürlich hat sie recht. So ist Buddy eben, er tut, was man ihm sagt.
    »Wollen wir mal nachschauen?« schlägt er vor.
    »Vielleicht will er allein sein.«
    Sie schlendern trotzdem hinüber. Trichterförmig fächert sich das Licht einer alten Baulaterne über dem Schacht und wirft den gebückten Schatten darin an die nächste Hauswand. Der Schatten hebt und senkt sich. Buddy arbeitet in dem klaffenden Loch, an dessen Rand der Bagger wartet. Da, wo die Erde am tiefsten ausgeschachtet ist. Wieder kratzt der Spaten auf Stein. Beharrliches Scharren. »Weit kann der nicht mehr kommen mit der Schaufel«, sagt Kwiatkowski. Aber das Kratzen läßt nicht nach, bald muß das Schaufelblatt Funken schlagen.
    »Das ist ihm nicht wichtig«, weiß Karla. Verfluchte Sachlichkeit.
    Buddy schabt Erdreich zur Seite, denn das, was ihm wichtig ist, ist der kleine Flügel, den er sieht, er kratzt daran, weil er wissen muß, ob das echte Federn sind. Aber die Federn richten sich nicht auf. Nichts sträubt sich. Sie kleben an dem Fuß fest, und der Fuß ist aus vielen kleinen Steinchen gelegt genau wie die Federn.
    Wada? Wada? formt sich die ewig gleiche Frage in Buddys Kopf. Was das ist? Karla wird es ihm sagen.
    Sie und
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