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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
Autoren: Sue Grafton
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wo Ihre undichte Stelle ist.« Ich erzählte ihm von Dr. Howard, dem Chiropraktiker, und dem Foto seiner Tochter. Ich hatte keine Ahnung, wie ihr neuer Familienname lautete, gab ihm aber eine genaue (und boshafte) Beschreibung. In ihrer Position als Zivilangestellte beim County Sheriffs Department hatte sie ideale Möglichkeiten, Informationen auf dem Weg über ihren Vater an Raymond weiterzugeben. Als Bibianna in Santa Teresa das erste Mal verhaftet worden war, hatte Raymond wahrscheinlich sofort davon erfahren. Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Lieutenant, wissen Sie irgendwas über die Waffe, mit der Parnell erschossen wurde? Raymond hat eine 30er Broomhandle-Mauser. Ich hab’ sie in seiner Kommodenschublade liegen sehen.«
    Dolan unterbrach mich. »Vergessen Sie Parnell für den Moment und tun Sie mir einen Gefallen: legen Sie auf und sehen Sie zu, dass Sie schleunigst da rauskommen.«
    »Wieso? Was ist denn los?«
    »Tate ist wahrscheinlich schon auf dem Gelände. Das Krankenhaus hat ihn gestern spät in der Nacht noch benachrichtigt, und er ist gleich losgefahren. Wenn Raymond merkt, dass er da ist, kommt es mit Sicherheit zum großen Showdown.«
    »Oh, Scheiße.«
    Hinter mir kam jetzt eine Ärztin in Chirurgengrün in das Schwesternzimmer. Sie zog sich die Haube herunter und schüttelte matt ihre Haare aus. Sie blieb stehen und musterte mich mit ihrer zerdrückten Frisur und tiefen Erschöpfungsfalten im Gesicht. Ich wusste nicht, ob sie das Telefon wollte oder den Stuhl.
    Dolan sagte: »Ich habe jemanden dort drinnen, der Ihnen helfen kann. Augenblick. Da kommt gerade ein Anruf.«
    Ich sah Raymond am Anmeldetresen vorbeimarschieren und auf die Aufzüge zusteuern. Wahrscheinlich suchte er mich. Ich konnte nicht auf Dolan warten. »Ich muss weg«, sagte ich ins Nichts. Dann legte ich auf. Jede einzelne Zelle meines Gehirns schrie: mach, dass du wegkommst, aber ich konnte Jimmy Tate nicht einfach allein lassen. Ich lief aus dem Schwesternzimmer und trabte hinter Raymond her, bis ich ihn eingeholt hatte.
    Ich tippte ihm auf die Schulter. »Hey, wo wollen Sie hin?«
    Er drehte sich um und sah mich ärgerlich an. »Wo zum Teufel sind Sie gewesen? Ich hab’ Sie gesucht.«
    »Ich war drüben auf der Neugeborenenstation«, sagte ich.
    »Weshalb?«
    »Ich liebe Babys. Ich möchte irgendwann auch eins haben. Sie sind so süß, so winzig klein und schrumplig. Wie kleine nackte Vögelchen — «
    »Dafür sind wir nicht hier«, raunzte er, obgleich ihn meine Erklärung milder gestimmt zu haben schien. Er packte mich am Arm, drehte mich um meine Achse und bugsierte mich wieder in Richtung Intensivstation.
    »Können wir nicht erst mal einen Kaffee trinken gehen?«, fragte ich.
    »Scheiß drauf. Ich bin so schon kribblig genug.«
    Wir waren beim Warteraum der Intensivstation angelangt, und Raymond setzte sich wieder hin. Er nahm sich eine Illustrierte aus dem Ständer neben der Sitzbank und blätterte zerstreut darin herum. Die Seiten raschelten leise durch die Stille. Zwei Frauen saßen am anderen Ende des Raums und beobachteten sein Gezucke mit unverhohlener Neugier.
    Raymond sah auf, ertappte sie und starrte sie an, bis sie wegguckten. »Himmel noch mal, ich hasse das, wenn die Leute mich anstarren. Glauben sie denn, ich mach’ das aus Spaß?« Er ruckte extra heftig mit dem Kopf und stierte finster zu den beiden Frauen hinüber, die sich vor Verlegenheit wanden.
    Ich fragte: »Wie geht’s Bibianna? Hat schon jemand was gesagt?«
    Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Der Arzt wird angeblich jede Minute kommen und mit uns reden.«
    Ich musste ihn hier weglotsen. In dem Farbfernseher in der Ecke lief einer von diesen Tierfilmen, die hauptsächlich davon handeln, wie eine Spezies eine andere frisst. Der Ton war abgestellt.
    Raymond beugte sich vor. »Herrgott, was machen die denn so lange?«
    »Haben Sie keinen Hunger? Wir können doch runter in die Cafeteria gehen und Luis besuchen. Mir hängt der Magen in den Kniekehlen.«
    Er ließ den Kopf baumeln, schüttelte ihn und sah mich dann mit trüber Miene an. »Und wenn sie’s nicht schafft?«
    Ich verbiss mir jede scharfe Entgegnung. Eine Antwort, die nicht kiebig geklungen hätte, wollte mir nicht einfallen. Ich schwieg. Bei genauerem Überlegen entsprach es nur seiner allgemeinen Verleugnungsstrategie, wenn er jetzt vor Sorge um eine Frau zerfloss, der er vor noch nicht mal vierundzwanzig Stunden einen Mörder auf den Hals gehetzt hatte. Wenn Raymond
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