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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
Autoren: Sue Grafton
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beendet erklären konnte, hatte ich einen Scheck über einen Haufen Dollars in der Tasche. Man hatte mir freigestellt, übers Wochenende auf Firmenkosten in San Diego zu bleiben, aber ich erwachte aus unerfindlichen Gründen um drei Uhr morgens mit einer heftigen Sehnsucht nach zu Hause. Auf der Brüstung des Balkons vor meinem Fenster hockte der Mond wie ein großer, flacher Teller, und das Licht, das mir ins Gesicht fiel, reichte fast zum Lesen. Ich lag da und starrte auf die sachte hin- und herschwingenden Schatten der Palmwedel an der Wand und wusste, dass ich nur einen dringenden Wunsch hatte, nämlich in meinem eigenen Bett zu liegen. Ich hatte die Nase voll von Hotelzimmern und Mahlzeiten irgendwo an der Straße. Ich hatte es satt, mich mit Menschen abgeben zu müssen, die ich nicht kannte und vermutlich nie wiedersehen würde. Ich stieg aus dem Bett, zog mich an und stopfte meine ganze Habe in meinen Matchbeutel. Um halb vier verließ ich das Hotel, und zehn Minuten später war ich auf dem Freeway 405 Richtung Norden, auf dem Heimweg nach Santa Teresa, in meinem neuen (gebrauchten) VW-Käfer, Baujahr 1974, hellblau und mit nur einer winzig kleinen Beule im linken hinteren Kotflügel. Ein echter Klasse-Wagen.
    Um diese Tageszeit kommt auf den Schnellstraßen um Los Angeles der Verkehr gerade in Gang. Es war noch nicht viel los, aber jede Auffahrt spuckte ein, zwei Autos dazu, alles Leute, die zur Arbeit nach Norden fuhren. Es war noch dunkel, die Luft köstlich frisch, und rechts und links der Straße driftete Bodennebel über die Banketts wie Rauchschwaden. Zu meiner Rechten stiegen die Hügel sanft zu den Bergen an, und die in die Landschaft geschmiegten Häuserreihen ließen kein Lebenszeichen erkennen. Die Lampen rechts und links tauchten den Highway in ein fast geisterhaftes Licht, und was von der Stadt in der Ferne zu sehen war, wirkte gediegen und heiter. Um diese Stunde fühle ich mich meinen Mit-Automobilisten immer eng verbunden, so als gingen wir alle irgendeiner subversiven Aktivität nach. Viele Fahrer hielten überdimensionale Styropor-Becher mit Kaffee. Einige schafften es sogar, am Steuer Fast Food hinunterzuschlingen. Durch heruntergelassene Seitenscheiben flogen Fetzen dröhnender Musik zu mir herüber, um dann gleich wieder zu verwehen, wenn die Fahrer an mir vorbeizogen und einscherten. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte mir in dem Kabrio hinter mir eine Frau, die mit viel Gefühl und flatternden Haaren ein lippensynchrones Solo schmetterte. Mich packte eine Woge schierer Freude. Es war einer jener Augenblicke, in denen ich plötzlich merkte, wie glücklich ich war. Das Leben war schön. Ich war eine unabhängige Frau, mit einer hübschen Summe Geld in der Tasche und genügend Benzin im Tank, um bis nach Hause zu kommen. Ich war niemandem Rede und Antwort schuldig und im Großen und Ganzen ungebunden. Ich war gesund, körperlich fit und voller Energie. Ich stellte das Radio an und sang laut den Chor-Refrain von »Amazing Grace« mit, was zwar nicht sonderlich passend war, aber das einzige, was ich finden konnte. Ein Früh-Prediger legte sich ins Zeug, und als ich Ventura erreichte, war meine Seele schon fast gerettet. Wieder einmal vergaß ich, wie oft plötzliche Aufwallungen guten Willens nur Vorboten eines dräuenden Unheils sind.
    Die üblichen fünf Stunden Fahrtzeit von San Diego reduzierten sich auf viereinhalb, sodass ich um kurz nach acht in Santa Teresa ankam. Ich fühlte mich immer noch energiegeladen. Ich beschloss, zuerst beim Büro vorbeizufahren und meine Schreibmaschine und die Mappe voller Notizen abzuladen, ehe ich heimwärts strebte. Ich würde kurz bei einem Supermarkt irgendwo am Weg anhalten und gerade so viel einkaufen, dass ich über die nächsten zwei Tage käme. Sobald ich meinen Matchbeutel zu Hause abgeladen hatte, wollte ich nur noch kurz unter die Dusche springen, dann zehn Stunden durchschlafen und gerade rechtzeitig wieder aufstehen, um bei Rosie in meiner Straße einen Happen zu Abend zu essen. Nichts ist so schön dekadent wie ein Tag allein im Bett. Ich würde den Anrufbeantworter anstellen und einen Zettel an die Wohnungstür hängen: »Bitte nicht stören.« Ich konnte es kaum erwarten.
    Ich war fest darauf eingestellt, den Parkplatz hinter dem Bürohaus leer vorzufinden. Es war Samstagmorgen, und die Geschäfte in der Stadt würden erst um zehn aufmachen. Daher war ich verblüfft, als ich sah, dass das Gelände von Menschen wimmelte. Einige davon
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