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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass
Autoren: Sue Grafton
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Der Arbeitsalltag ging weiter. Wo Parnell Perkins gewesen war, klaffte jetzt eine Lücke, und niemand wusste so recht, damit umzugehen. Später sollte ich begreifen, wie die ganzen Puzzle-Stückchen zulé sammengehörten, aber zu dem Zeitpunkt lagen sie noch nicht einmal auf dem Tisch. Schon wenige Wochen später wurde der Mord von einem neuen Ereignis überlagert: der bevorstehenden Ankunft des Mr. Gordon Titus — Mr. Tight-Ass, der Klemm-Arsch oder auch Korinthenkacker, wie wir ihn bald nennen sollten dessen Versetzung in die Hauptstelle für den 15. November anberaumt war. Auch er sollte unwissentlich seinen Teil zum weiteren Fortgang der Ereignisse beitragen.

2

    Der Name Gordon Titus geisterte durch die Büros der CF, seit der Vierteljahresbericht von Ende Juni einen extremen Schadensanfall verzeichnet hatte. Sobald bei einer Versicherungsgesellschaft die Verlustrate die Profitrate um mehr als zehn Prozent übersteigt, macht sich die Firmenleitung daran, sämtliche Vorgänge genau unter die Lupe zu nehmen, um herauszufinden, wo der Hase im Pfeffer liegt. Das Faktum, dass wir die Hauptstelle der California Fidelity waren, nahm uns von dieser Praxis nicht aus, und das allgemeine Gefühl war, dass wir drastischen Veränderungsmaßnahmen entgegengingen. Es kursierte das Gerücht, dass Gordon Titus ursprünglich von der Filiale in Palm Springs engagiert worden war, um die Betriebsabläufe zu überprüfen und das Prämienvolumen hochzutreiben. Er hatte seinen Job offenbar (aus der Sicht der Firmenleitung) hervorragend gemacht und dabei eine Menge menschliches Unglück verursacht. In der Welt einer Agatha Christie wäre Gordon Titus vielleicht irgendwann auf dem Boden des Konferenzsaals gefunden worden, mit einem Brieföffner im Herzen. In der wirklichen Welt hingegen finden solche Herren nur selten ein so befriedigendes Ende. Gordon Titus wurde einfach nur nach Santa Teresa versetzt, wo er die gleiche Sorte Unheil stiften sollte.
    In der Theorie betraf mich das alles kaum bis gar nicht. Die CF stellt mir einen Büroraum, und dafür führe ich drei- bis viermal im Monat Routinerecherchen für sie durch, etwa bei Verdacht auf Brandstiftung oder fingierte Sterbefälle. Jedes Quartal stelle ich über alle diese suspekten Schadensfälle Material zusammen, das dann zwecks weiterer Ermittlungen an die Zentralstelle zur Verhinderung von Versicherungsbetrug weitergeleitet wird. Zur Zeit ging ich vierzehn verdächtigen Schadensmeldungen nach. Versicherungsbetrug ist ein Geschäft, das den Gesellschaften jährlich Verluste von über zwei Millionen Dollar bringt, die dann wiederum auf die ehrlichen Kunden umgelegt werden — wenn man einmal unterstellt, dass es noch ein paar davon gibt. Lange Jahre in diesem Metier haben mich zu der Einsicht gebracht, dass ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung dem Drang zum Mogeln einfach nicht widerstehen kann. Diese Neigung zieht sich quer durch alle sozioökonomischen Schichten und eint rassische und ethnische Gruppen, die sich sonst nicht viel zu sagen haben. Versicherungen werden als eine Art Pendant zur staatlichen Lotterie angesehen. Dafür, dass die Leute ein paar Monate ihre Prämien bezahlen, wollen sie dann aber auch den Jackpot einstreichen. Und einige sind sogar bereit, der Wahrscheinlichkeit ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, damit sich die Sache amortisiert. Ich habe erlebt, wie Versicherungskunden Diebstähle fingieren und Sachen als gestohlen melden, die sie nie besessen haben. Ich habe erlebt, wie Leute Häuser niederbrennen, Arztrechnungen manipulieren, sich selbst Verletzungen zufügen oder einen Grad von Arbeitsunfähigkeit geltend machen wollen, der in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Behinderung steht. Ich habe Meldungen über Eigentumsverluste und Einkommensausfälle, Sach- und Personenschäden gesehen, die nur in der überhitzten Fantasie der Absender existierten. Zum Glück haben die Versicherungsgesellschaften rasch dazugelernt und Vorkehrungen getroffen, um diesen Schwindeleien auf die Spur zu kommen. Teil meines Jobs ist es, die Grundlage für die strafrechtliche Verfolgung solch betrügerischer Forderungen zu liefern. Jetzt, da Gordon Titus jeden Tag in der Tür stehen konnte, wurde mir eine ganze Flut verdächtiger Fälle zugeschoben, und ich sah mich unter Druck, rasch Ergebnisse zu produzieren.
    Die letzte dieser suspekten Schadensmeldungen übergab mir Vera an einem Sonntagnachmittag Ende Oktober. Ich war noch rasch im Büro vorbeigefahren, um
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