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0104 - Die Stieftochter des Teufels

0104 - Die Stieftochter des Teufels

Titel: 0104 - Die Stieftochter des Teufels
Autoren: Hans Joachim von Koblinski
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In der Ferne erklang dumpfes Rollen - die von Nevers über Imphy nach Moulins führende Eisenbahn.
    Robert Jeffre lachte.
    »Unsinn, Chérie! Es gibt keine Geister, keine Trolle, keine Vampire. Alles dummes Geschwätz. Laß dir doch von den alten Weibern in Beaufort keinen Floh ins Ohr setzen!«
    »Still, Robert!« Sie klammerte sich noch fester an ihn. Er spürte die weichen Rundungen ihrer jungen, festen Brüste, die er vor zehn Minuten noch liebkost hatte.
    Sie waren mit seinem weißen Renault in den Wald gefahren, um sich zu lieben. Es war jetzt zwei Wochen her, daß sie sich im Bistro kennengelernt hatten. Robert Jeffre war aus Paris hierher an die Loire gekommen, um für seine Firma Vermessungen durchzuführen - die Vorarbeiten für eine geplante Straße.
    Jeanne Audret arbeitete seit knapp einem Jahr als Lehrerin an der Schule von Beaufort. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, und der Frühling mit seinen überraschend lauen Nächten in diesem Jahr hatte das seine dazu getan.
    Um nicht ins Gerede zu kommen, fuhren sie abends los. Mal in den Wald von Château de Cassagne, mal zu den Hügeln östlich von Imphy, wo es auch lauschige Plätzchen gab. Sie wollten allein und ungestört sein - mit sich und ihrer Liebe.
    »Mädchen… hab dich doch nicht so!« entfuhr es ihm ärgerlich.
    Doch dann zuckte auch er zusammen, spürte, wie Angst in ihm aufkam und sich eine eiskalte Hand um seinen Hals zu legen schien. Seltsames, zischendes Brausen war plötzlich um sie herum, das binnen weniger Augenblicke zu durchdringendem Pfeifen anschwoll.
    Jeanne Audret schrie gellend auf, barg ihr Gesicht an Roberts Brust, was in diesem bei anderer Gelegenheit einen wahren Orkan von Gefühlen für das langbeinige, vollbusige und rassige Mädchen entfacht hätte. Doch jetzt sträubten sich ihm die Haare, seine Haut überzog sich mit Eiseskälte. Jeanne und er erstarrten, als hätte man ihnen einen Kälteschock versetzt.
    Sie sahen und hörten alles um sich herum, waren jedoch unfähig, sich zu bewegen. Und als Robert schreien wollte, brachte er keinen Ton heraus. Eine Nebelwolke wuchs vor ihnen auf, hüllte sie ein, höllisches Gelächter drang an ihre Ohren, zwei riesige Fangarme mit langen Fingern und spitzen, rotgefärbten Krallen daran griffen nach ihnen, umschlangen sie, hoben sie empor, trugen sie davon, hoch über die Wipfel der Buchen, auf rauschenden Schwingen. Längst hatten Robert und Jeanne das Bewußtsein verloren, nahmen nichts mehr wahr, wußten nicht, was mit ihnen geschah.
    Sie erlebten nicht, wie sich die große, eisige Nebelwolke zu senken begann, tiefer und tiefer ging und mit leisem Zischen auf dem Hof von Château de Cassagne aufsetzte.
    Irgendwo in dem alten Gemäuer quietschte eine Tür, Schritte erklangen, dann kam eine klirrende, kalte Stimme: »Du kannst verschwinden, Glacier!«
    Die große, weiße Wolke schnaufte, geriet in Bewegung, streckte sich, wurde schmal und lang, bäumte sich an einem Ende auf, tanzte wie eine Riesenschlange drei Meter über dem gepflasterten Hof, um dann wie ein Blitz durch eine Öffnung im Mauerwerk des Schlosses zu entweichen.
    Eine hochgewachsene, dunkle Gestalt löste sich aus dem Schatten des Gemäuers, kam langsam auf die beiden reglos Liegenden zu. Der scharf gebündelte Strahl einer Stablampe leuchtete auf, zerschnitt die Dunkelheit, streifte die langen Beine des Mädchens, die bis hinauf zu den Schenkeln zu sehen waren.
    »Gutes Material…!« murmelte die Gestalt. Der Lichtkegel wanderte weiter, riß Roberts Gesicht aus der Finsternis.
    »Hm«, hörte man wieder die Stimme, »jung und kräftig… wird gut zu gebrauchen sein!« Die Gestalt wandte sich um. »He, Ridicule!« rief sie halblaut.
    Wieder quietschte eine Tür. Jemand trabte heran. Die Lampe schwenkte herum, erfaßte einen knapp zwei Meter großen Mann, der aussah, als würe er eben Frankensteins Experimentierlabor entsteigen: lange Affenarme, die an einem wuchtigen, etwas zu groß geratenen Oberkörper herunterbaumelten - dicke, krumme Beine, deren klobige Füße in riesigen Sandalen steckten. Dann der Kopf. Rund, oben abgeplattet, kahl und mit unförmigen, abstehenden Ohren sowie weit vorstehenden Froschaugen. Das Gräßlichste jedoch waren die vielen feuerrot glühenden Narben, die das gesamte Gesicht entstellten und sich bis weit hinunter auf den bloßen Oberkörper zögen. Beide Lippen waren unterhalb der platten und aufgestülpten Nase gespalten. Offensichtlich fehlte ein Stück - als ob es
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