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Der Teufel mit den blonden Haaren

Der Teufel mit den blonden Haaren

Titel: Der Teufel mit den blonden Haaren
Autoren: Alexander Borell
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I

    Das Mädchen kurbelte die linke Seitenscheibe neben dem Fahrersitz herunter. Ein eiskalter Nordwest trieb ihr feine Schneekristalle aus dem Dunkel der Nacht ins Gesicht. Die schneidende Kälte tat gut, machte den Kopf klar und bändigte die Nervosität des Wartens.
    Plötzlich eine Silhouette am rechten Fenster, das schneeweiße, verzerrte Gesicht eines jungen Mannes, der die Wagentür aufriß und beinahe kopfüber auf den Nebensitz fiel.
    „‘raus!“ keuchte er und griff nach dem Lenkrad. „Los — ‘raus! Sie sind hinter mir her, verdammt noch mal, so verschwinde doch!“
    Das Mädchen saß regungslos, starrte geradeaus in die Finsternis und sagte: „Es hat nicht geklappt? Du trauriger Anfänger, sie sind hinter dir her? Und was wird jetzt aus mir, ich habe doch…“
    Er hatte über sie hinweg den Türgriff erreicht, schob die Tür auf und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Körper des Mädchens.
    „Raus mit dir!“ keuchte er. „Sofort ‘raus! Ich türme allein, kann dich jetzt nicht brauchen. Paß doch auf!“
    Das Mädchen verlor den Halt, stürzte auf die vereiste Straße, richtete sich auf und wollte sich irgendwo am Wagen festhalten.
    Aus weiter Ferne hörte sie noch die Stimme des jungen Mannes. „Ruf bei Otto an, später, hörst du, frühestens nächste Woche!“
    Der Motor heulte auf, der Wagen fuhr schleudernd an, streifte das Mädchen und warf es hart zu Boden. Dann verschwanden die roten Schlußlichter hinter einer Wolke von Schneestaub in der Schwärze der Nacht.
    Gaby spürte einen stechenden Schmerz im rechten Handgelenk. Eine schwere, dumpfe Müdigkeit überfiel sie wie eine Lähmung.
    Schiefgegangen. Vorbei der Traum von Geld, einem kleinen Haus mit einem Garten und Bäumen. Liegenbleiben, einfach hier liegenbleiben und alles treiben lassen...
    Dann aber registrierte ihr Hirn lautes Rufen. Es kam vorne von der Hauptstraße, wo die großen Lampen den stiebenden Schnee aufblitzen ließen.
    Langsam ging Gaby zur Hauptstraße, zum Licht. Der Knöchel schwoll an, schmerzte immer mehr.
    Da kamen sie schon die Hauptstraße entlanggerannt: ein Polizist und ein paar Passanten.
    Ein spöttisches Lächeln zuckte um Gabys vollen Mund.
    Rennt ihr nur... Freddy hat genug Vorsprung, und von mir weiß niemand was. Ihr werdet ihn nicht erwischen, wir werden doch eines Tages unser kleines Haus haben. Was heute nicht glückte, wird ein andermal gelingen. Nichtstun, Geld haben, viel Geld...
    Menschen rannten an ihr vorbei.
    Plötzlich wurde sie sich bewußt, daß sie ohne Mantel hier im Schneetreiben stand. Das konnte auffallen.
    Langsam ging sie in die Nebenstraße zurück, bis sie unverhofft vor einem Mann stand, der wie aus dem Nichts gekommen zu sein schien. Er führte einen Hund an der Leine, der Gabys Beine aufdringlich beschnupperte.
    „Na Kleine“, sagte der Mann. „Pech gehabt mit deinem Kavalier, was? Willst du dich bei mir ein bißchen auf wärmen, ich wohne gleich dort drüben und...“
    „Danke“, sagte Gaby und ging weiter.
    Der Kerl hatte alles beobachtet. Morgen spätestens, vielleicht schon heute nacht, würde er zur Polizei laufen und sagen, er habe den Wagen des Täters gesehen, wisse die Nummer, ja, und ein Mädchen sei auch dabeigewesen, etwa einen Meter achtundsechzig groß, schlank, dunkelblond. Nein, einen Mantel hatte sie nicht an, der Kerl hat sie aus dem Auto geworfen, ehe er damit geflüchtet ist. Die Autonummer, ja, warten Sie mal... zufällig habe ich sie mir gemerkt...
    „Idiot“, sagte Gaby laut vor sich hin. Dieser Vollidiot! Zu gefährlich, hatte er gesagt, vorher einen Wagen zu klauen! Es ist doch eine todsichere Sache, hatte er gesagt, niemand wird auf den Wagen achten, ich nehme meinen, auf den kann ich mich wenigstens verlassen...
    Es gab genug Leute, die wußten, daß Gaby mit ihm ging, man würde zu ihr kommen.
    Sie warf trotzig den Kopf zurück. Nein, nicht auf eine so läppische Art...
    Sie ging weiter, irgendwohin, ganz egal wohin, nur nicht nach Hause. Nie mehr in dieses möblierte Zimmer...
    Und der Mantel lag in Freddys Auto...

    *

    Es war kurz nach Mitternacht, als der Portier vor einem Münchner Hotel die Wagentür ins Schloß drückte.
    „Gute Nacht, gnädige Frau - gute Nacht, Herr Doktor. Kommen Sie gut nach Hause, der Polizeifunk hat Glatteis in der Stadt und außerhalb Schneeglätte durchgegeben.“
    Dr. Harald Mercker fuhr vorsichtig an. Es war mollig warm im Wagen, dessen Motor der Portier schon vorher hatte laufenlassen. Das grüne
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