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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille
Autoren: Sue Grafton
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gräßlichen Stück vorhatte. Es vielleicht irgendwo vergraben... es am Ende eines Piers wegschleudern. Ich quetschte einen großen Schraubenzieher in den engen Spalt zwischen der Einfassung und dem Holzstreifen, der sie fixierte. Fensterteile mußten Namen haben, dachte ich, aber ich wußte nicht, wie sie lauteten. Ich imitierte einfach Beckys Zimmermannsarbeit. Das Resultat war das gleiche. Ich hatte den Rahmen abmontiert und so die beiden Gewichtspaare freigelegt, einschließlich der Schnur, die sie verband, und den Rollen, die das Heben und Senken des Rahmens regulierten. Bemüht, nichts anzufassen, zog ich die beiden Paare hervor, vier Gewichte zusammen. Scheiße, auf diesen Dingern würden keine Fingerabdrücke zu sehen sein. Das Metall war mit einem dünnen Film aus Sägemehl und Ruß überzogen. Die Feuchtigkeit in der Wand hatte so viel Rost hervorgebracht, daß sicherlich alle versteckten Fingerabdrücke jetzt ausgelöscht waren. Es war auch nicht gerade eine große Hilfe, daß ein halbes Jahr vergangen war. Bei einer mikroskopischen Untersuchung würden noch Flecken getrockneten Blutes zum Vorschein kommen, aber ich war nicht sicher, was sonst noch. Ich leuchtete mit der Taschenlampe den Rahmen entlang. Am Ende waren zwei schimmernde, blonde Haare mit ein paar dunkelbraunen verknotet. Ich konnte fühlen, wie sich mein Mund vor Ekel zusammenzog.
    Ich führte ein schmales Plastiktütchen über das Ende und befestigte es mit Klebeband. Dann schob ich die Klinge aus dem Allzweckmesser, das ich mitgebracht hatte, und durchtrennte die Schnüre. Versehentlich schlugen die Gewichte aneinander, als ich sie in eine große Plastiktüte gleiten ließ. Lieutenant Dolan und sein treues Team von der Spurensicherung würden Anfälle bekommen, wenn sie sehen könnten, wie grob ich mit Beweismaterial umging, aber ich hatte keine Wahl. Zusammen mit dem Rest meines Werkzeugs packte ich das Allzweckmesser in die Plastiktüte. Bei jeder meiner Bewegungen raschelte das Plastik — weshalb ich Leonard und Marty erst hörte, als sie bereits die Hintertreppe erreicht hatten.

26

    Der Schlüssel rumorte im Schloß, und mein Kopf schnellte hoch. Wie ein elektrischer Schlag durchfuhr mich die Furcht. Mein Herz klopfte mir buchstäblich bis zum Hals. Mein einziger Vorteil lag darin, daß ich wußte, daß sie hier waren, bevor sie wußten, daß ich hier war. Ich packte die Taschenlampe und klemmte mir das in Plastik gewickelte Gewichtspaket unter den Arm. Ich war bereits auf dem Weg und schätzte meine verschiedenen Möglichkeiten ab, mit einem Hirn, das sich so langsam und kalt anfühlte, als wäre es in eisige Brandung getaucht. Ich war in Versuchung, auf den zweiten Stock zuzusteuern, doch ich bremste den Impuls. Da oben gab es keinen Schutz und keinen Zugang zum Dach.
    Ich drehte nach links ab, Richtung Küche. Ich hatte mein Gehör voll aufgedreht, und konnte leise Gesprächsfetzen von hinten wahrnehmen. Wahrscheinlich versuchten sie sich zurechtzufinden, indem sie einfach hier und da mit der Taschenlampe hinleuchteten. Wenn Marty seit dem Abend des Feuers nicht mehr im Haus gewesen war, reagierte sie vielleicht auf den Schaden und war einen Moment lang von der Verkohlung, dem Zerfall und dem Ruin so abgestoßen, wie ich es gewesen war. Sie hatten noch nichts gemerkt, aber das würde sich bald ändern. In dem Moment, in dem sie den Fensterrahmen sahen, würden sie anfangen, nach mir zu suchen.
    Die Kellertür stand offen, ein vertikaler schwarzer Schlitz, der sich gegen die Dunkelheit des Flurs abhob. Ich gestattete mir einen Funken Licht aus der Taschenlampe und schlüpfte durch den Spalt. Dann lief ich, so schnell ich konnte, ohne ein Geräusch zu machen, hinunter. Ich wußte, daß die schrägen Kellertüren, die auf den Seitenhof hinausführten, mit Vorhängeschlössern verriegelt waren. Aber zumindest konnte ich dort unten ein Versteck für mich finden. Hoffte ich.
    Also ging ich hinunter und machte am Ende der Treppe halt, damit ich mich orientieren konnte. Über mir hörte ich das Knirschen und Knacken von Schritten. Wo ich mich befand, war es verdammt pechschwarz. Ich hatte das Gefühl, als ob die Dunkelheit auf der Oberfläche meiner Augen lag, eine dicke, schwarze Maske, durch die kein Licht dringen konnte. Ich mußte die Taschenlampe noch mal riskieren. Selbst nach einer so kurzen Zeit merkte ich schon, wie ich vor dem blendenden Licht zurückschreckte und jäh den Kopf wegdrehte, um meine Augen zu schützen. Ich
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