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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille
Autoren: Sue Grafton
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zusammengepreßt, um zu verhindern, daß ich vor Anstrengung schnaufte.
    Ich hielt inne. Alles, was ich hören konnte, war mein eigener Atem, der jetzt sehr mühsam klang, da ich mich so anstrengte, das Scharnier zu lockern. Das Holz war Pinie, alt und morsch und weich. Ich verlagerte wieder mein Gewicht und versuchte, mir mehr Platz zum Arbeiten zu schaffen. Die Kellertür quietschte.
    Ich hörte das leise Scharren eines Schuhs auf der Kellertreppe.
    Und dann hörte ich das Keuchen und wußte, wer es war. Langsam wandte ich den Kopf nach rechts. Ich sah den schwachen gelben Schein einer Taschenlampe, eines dieser riesigen Teile von der Größe einer Butterbrotdose, die einen breiten rechteckigen Lichtstrahl aussandte. Die Batterien waren schwach und schafften nur noch eine fahle Beleuchtung. Trotzdem erkannte ich die Frau wieder, die ich in Florida getroffen hatte. Pat Usher... Marty Grice. Sie sah nicht sehr gut aus. Das dunkelblonde Haar schien leblos, ihre Augen waren tief umschattet, und die Wangenknochen wurden durch den Lichteinfall hervorgehoben. Sie schwenkte den Lichtstrahl zur gegenüberliegenden Wand. Ich hielt den Atem an und fragte mich, ob es überhaupt eine Chance gab, daß sie mein Versteck übersah. Sie bewegte sich einen Moment außerhalb meines Blickfelds. Ich wagte nicht, mich zu rühren. Die Spannung ließ meine Knochen schmerzen. Ich fühlte, wie meine Beine anfingen zu zittern, dieses unkontrollierbare Zucken, das durch Streß und Muskelkrämpfe und die Notwendigkeit, sich zu bewegen, verursacht wird. Es war der Fluchttrieb, der sich nach innen kehrte, da mein Körper ohne Hoffnung auf Erleichterung in dieser Stellung eingesperrt war. Der Taschenlampenschein machte eine langsame Drehung in meine Richtung und beleuchtete Stück für Stück alles, was auf seinem Weg lag. Sie würde mich jeden Moment haben, und ich tat das einzige, was ich tun konnte. Wie ein auftauchender Wal katapultierte ich mich hinauf und drückte mit solcher Kraft gegen die verschlossenen Türen, daß sie beinahe aufgesprungen wären. Ich hatte einfach nicht genug Hebelkraft, und sie war zu schnell. Ich strengte mich an und stieß mich wieder hoch.
    Sie mußte wie ein Blitz durch den Raum geschossen sein. Meine Aufwärtsbewegung hatte mich fast in eine aufrechte Position gebracht, und die Türen bogen sich schon mit einem knackenden Geräusch nach außen, da wurden mir von unten die Füße weggerissen. Ich fiel runter und knallte mit dem Kopf auf die Betonstufe. Ihre Taschenlampe war seitwärts weggeflogen. Der verlöschende Strahl zielte nun sinnlos auf die Wand, und das Licht schien dort so zwecklos wie ein Fernsehbild nach Sendeschluß. In der dichten Dunkelheit des Kellers war gerade soviel Beleuchtung, daß der Nachteil auf meiner Seite lag.
    Ich krabbelte zur Seite und kam wieder auf die Beine. Sie ging auf mich los und kletterte beinahe an mir hoch, die Arme um meinen Kopf geklammert. Ich taumelte zurück, von der plötzlichen Last aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich versuchte, sie seitwärts zu schleudern, sie abzustreifen, indem ich mit ihr voll an die Treppe schlug. Sie klebte an mir wie eine Krake — Fangarme, Saugnäpfe und vernichtender Mund. Ich ging in die Knie. Ich versuchte, meinen Ellbogen in sie zu rammen, aber es gab keine Möglichkeit, einen Schlag mit so viel Kraft zu landen, daß er ihr weh tat. Ich bekam eine Hand hoch und packte sie bei den Haaren und zog sie so plötzlich vor, daß ihr eigenes Gewicht sie mit einem leisen Grunzen auf den Zement beförderte.
    Für einen kurzen Moment glaubte ich, eine Waffe zu bemerken, gewarnt durch ein pfeifendes Geräusch, aber nicht früh genug, um mich zu ducken. Beim Aufprall vernahm ich einen ekelerregenden Knacks. Sie stand mit etwas auf, das wie der Stiel einer Axt aussah, den sie mit einer solchen Kraft geschwungen hatte, daß ich zuerst überhaupt keinen Schmerz fühlte. Es war wie die Pause zwischen Blitz und Donner, und ich fragte mich, ob es wohl eine Möglichkeit gab, die Intensität eines Schmerzes daran zu messen, wieviele Sekunden es dauert, bis ihn das verständnislose Hirn registriert hatte. Wieder kam der Axtstiel auf mich herabgepfiffen, und dieses Mal hielt ich eine Hand hoch, um mein Gesicht zu schützen und bekam den Schlag auf den Unterarm. Ich brachte das knackende Geräusch nicht einmal mit dem Schmerz in Verbindung, der jetzt meine Knochen erschaudern ließ. Mein Mund öffnete sich, aber es kam kein Ton heraus. Sie fiel wieder über
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