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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Achselzucken ab und folgte Dr. Wollenreiter in die Aufnahmestation.
    »Was ist denn nun?« fragte Wollenreiter, als sie allein waren. »Warum brüllen Sie so herum? Und was heißt das: Mörderärzte?! Ich kann Ihnen ein Riesenverfahren an den Hals hängen. Wir haben eine Operation gemacht, von der ab morgen die ganze Welt sprechen wird.«
    »Auf meine Kosten!« fuhr Lehmmacher hoch.
    »Wieso auf Ihre Kosten?«
    »Ich hatte Vierlinge, nun sind's nur noch drei.«
    »Natürlich. Vier weniger eins ist drei. Das ist das kleine Einmaleins.«
    »Alle abgeschlossenen Verträge mit den Werbefirmen lauten aber über Vierlinge! Drillinge sind weniger interessant.«
    »Aha!« sagte Wollenreiter. Und dieses Aha hätte Lehmmacher vorsichtig machen sollen. Dr. Wollenreiter kam an die Grenze seiner Höflichkeit … was nun folgen würde, konnte für Lehmmacher wie ein Wolkenbruch sein.
    »Ja!« sagte Philipp munter. »Verstehen Sie nun, was die Operation für mich bedeutet? Sie kostet mich ein Vermögen! Alle Verträge werden zurückgenommen werden … und was ist mit den schon gemachten Anzahlungen? Die wollen ihr Geld wiederhaben, und das habe ich längst nicht mehr. Herr Doktor … ich mache die Klinik dafür verantwortlich. Die soll zahlen! Die hat mir ja alles vermasselt –«
    Dr. Wollenreiter sah Lehmmacher eine Weile wortlos an. Dann sagte er ganz ruhig: »Philipp Lehmmacher, was sind Sie doch für ein Schwein!«
    Lehmmacher zuckte hoch und warf die Arme in die Luft. »Ein armes Schwein bin ich, da haben Sie recht! Mein ganzes Leben lang habe ich einen krummen Buckel machen müssen, habe wie die Spatzen von dem gelebt, was abfiel, habe mich durchgehungert und war der Clown der anderen. Ich habe nie geglaubt, jemals etwas anderes zu sein oder zu werden. Und dann kam das große Glück! Vierlinge, zwei auch noch zusammengewachsen! Ich hatte endlich, endlich Glück. Und was wurde? Erst hat man mir die Kirmessache verdorben, täglich 100 Mark, dann trennt man die Zwillinge und einer stirbt dabei … ich bin wieder das arme Schwein von früher! Und da soll man nicht verzweifeln? Herr Doktor, einen Strick sollte man sich nehmen!«
    Er fiel auf den Stuhl zurück, nun wirklich ein gebrochener Mann, und begann zu schluchzen. Dr. Wollenreiter sah konsterniert aus dem Fenster. Wie kann man verlangen, daß er anders denkt als in Groschen, bestätigte er. Für ihn waren die Vierlinge die große Lebenswende … sie waren eine Sechs im Lotto. Und plötzlich muß er sehen, daß der Schein ungültig ist, weil er nicht abgegeben wurde. Der Traum vom anderen Leben erlosch, und nun klagte er alle Welt an, ihn darum betrogen zu haben. War es ihm – von seiner Mentalität aus gesehen – zu verübeln?
    »Ich will Ihnen etwas sagen, was Sie sonst nie erfahren hätten.« Dr. Wollenreiter klopfte Lehmmacher auf die Schultern. »Wenn wir Ihre Kinder nicht sofort getrennt hätten, wären sie beide gestorben. Das eine der Kinder hatte einen nicht mehr aufhaltsamen Kreislaufzusammenbruch. Wäre es gestorben, und das war sicher, hätte es das andere Kind mit in den Tod gerissen, weil sie ja zusammenhingen. So haben wir ein Kind wenigstens gerettet.«
    »Das sagen Sie bloß, um mich zu trösten –«
    »Fragen Sie den Herrn Professor.«
    »Der wird natürlich nichts anderes sagen. Man kennt das ja. Die Ärzte mauern sich zu –«
    »Nicht wieder frech werden, Lehmmacher.« Dr. Wollenreiter klopfte mit den Handknöcheln auf den Tisch. »Sie sind jetzt nicht Vater einer kleinen Patientin und ich nicht der Arzt, sondern wir sind zwei Kumpel. Ich glaube, dann verstehen wir uns am besten. Sie gehen jetzt also nach Hause, trösten Ihre Frau und lassen diese dummen Brüllereien. Man kann gegen das Schicksal nicht anrennen, man muß es hinnehmen.«
    »Das ist der typische Satz, mit dem man so arme Luder wie ich eins bin tröstet. Bei den Geldsäcken heißt es, man kann das Schicksal kaufen.«
    »Nicht einen Kreislaufzusammenbruch in einem lebensunfähigen Körper.«
    »Und das andere Kind?«
    »Es wird gedeihen wie Ihre Pflanzen, wenn Sie sie mit Phosphat düngen.«
    »Bestimmt?«
    »Ganz bestimmt!«
    »Und es wird wieder ganz gesund?«
    »Es wird leben«, antwortete Wollenreiter vorsichtig und ausweichend. Lehmmacher war zufrieden, er verstand den Doppelsinn nicht.
    Wer weiß, was alles nachkommt, dachte Wollenreiter. Wird das Gehirn normal arbeiten? Werden sich Lähmungen einstellen oder Verblödungserscheinungen? Wird das Kind sich normal entwickeln oder ewig
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