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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Polizei gehe und alles sage.«
    Oberarzt Dr. Julius überflog noch einmal den Brief des Jugendamtes und reichte ihn Franz Höllerer dann zurück.
    »Ich würde mit allen gutgemeinten Aktionen noch drei Tage warten«, sagte er. »In drei Tagen darf ich wieder ungehindert herumlaufen. Dann gehen wir gemeinsam zu der zuständigen Behörde.«
    »Das wollen Sie wirklich für uns tun?« Julia ergriff die Hand des Arztes und drückte sie. »Und Sie glauben, daß Sie Erfolg haben?«
    »Ich denke doch.« Dr. Julius lächelte leicht. »Es gibt da ganz einfache Methoden, und die wirksamste werde ich anwenden. Vorher aber rate ich Ihnen, zu Staatsanwalt Allach zu gehen.«
    »Warum?« fragte Franz Höllerer mißtrauisch.
    »Dr. Allach ist ein Freund von Professor Karchow. Er hat damals die Kindesaussetzung bearbeitet und kennt sich genau aus. Gestehen sie ihm alles – ich weiß, daß Dr. Allach Sie nicht verhaften läßt.«
    »Und wenn er es doch tut? Er ist doch Staatsanwalt.«
    »Auch Staatsanwälte sind Menschen.« Dr. Julius schüttelte den Kopf. »Er wird ein Protokoll aufnehmen, natürlich. Und dieses Protokoll wird in die Akte Maria Ignotus geheftet und dann der Fall abgeschlossen. Wir haben damit erreicht, daß die Jugendbehörde sich nicht mehr auf noch nicht abgeschlossene Ermittlungen berufen kann, wie es hier in dem Brief steht. Hinein in die Höhle des Löwen, meine Lieben, und keine Angst. Nicht jeder wird gefressen.«
    Franz und Julia Höllerer überlegten zu Hause bei Großvater Bergmann den Vorschlag Dr. Julius' und kamen zu dem Ergebnis, daß es wirklich das beste sei. »Ich lasse mir meine Lebensversicherung auszahlen«, sagte der alte Bergmann. »Und dann blättere ich dem Amt die Scheine auf den Tisch. Einzeln! Das ist für den Kopf des Kindes, das für den rechten Arm, für den linken Arm, für den Hals … Die sollen vor Scham in die Erde sinken, sag' ich euch!«
    »Sie tun nur ihre Pflicht, Vater. Sie haben auch nur Bestimmungen, die sie erfüllen müssen.« Julia ging unruhig hin und her. Der Gedanke, morgen vor dem Staatsanwalt Dr. Allach zu stehen und vielleicht doch noch verhaftet zu werden, ließ sie nicht still sitzen und in der Nacht auch nicht schlafen. Während Franz neben ihr leise schnarchte und im Traum sich mit Kindesräubern herumschlug, die seine kleine Maria gerade aus dem Fenster des Krankenzimmers heben wollten, starrte sie an die Decke und dachte zurück an die vergangenen Monate, an die Not, an die Liebe, an die Geburt des Kindes und die schreckliche Stunde, in der sie das kleine, warm verschnürte Bündel vor die Tür der Klinik ›Bethlehem‹ legte. Das war der furchtbarste Augenblick … es konnte nichts anderes geben, das diese Minuten übertraf. Auch nicht das Gefängnis, wenn es sein mußte. Die Zeit würde vorübergehen, sehr schnell sogar … und dann kam sie heraus und konnte zurückkehren zu Franz und ihrer kleinen Maria. Das Leben würde weitergehen, ein Leben mit einer gesühnten Schuld, ein freies Leben.
    Am nächsten Tag gegen 11 Uhr meldete sich Julia Höllerer bei Staatsanwalt Dr. Allach. Franz blieb vor dem Gericht in seinem kleinen Wagen sitzen und sollte warten.
    »Wenn ich in zwei Stunden nicht wieder herauskomme«, sagte Julia zum Abschied und küßte Franz noch einmal, »dann fahr ab. Du wirst schnell erfahren, wo sie mich hingebracht haben. Es wird alles nicht so schlimm sein … ich habe doch niemanden umgebracht.«
    Sie wurde durch vier Zimmer gelotst, sprach mit einigen Beamten und Sekretärinnen, bis sie in einen nüchternen, fast kahlen Raum geschoben wurde, in dem außer einem Schreibtisch und drei Stühlen nichts stand. Nur an der Wand hing eine große Detailkarte der Stadt.
    Ein Mann erhob sich hinter dem Schreibtisch und kam auf Julia zu, als sie schüchtern und mit verkrampften Händen im Zimmer stand und die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte.
    »Frau Julia Höllerer –«, fragte Staatsanwalt Dr. Allach.
    »Ja, Herr Staatsanwalt.«
    »Bitte, kommen Sie doch näher.« Er streckte ihr die Hand entgegen und lächelte sie väterlich-ermutigend an. »Ich habe Sie schon erwartet –«
    »Erwartet? Mich?« Julias Herz setzte aus. Die Verhaftung!
    »Ja. Professor Karchow hat mich angerufen. Haben Sie keine Angst, kleine Frau … ich weiß nun alles.« Dr. Allach führte sie zu einem Stuhl. Er fühlte, wie sie zitterte. »Haben Sie keine Angst … wir werden uns nur ein wenig unterhalten. Sie erzählen mir alles, so, wie es damals war. Ich weiß aus
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