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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Erfahrung, wie grausam tyrannische Väter sein können und zu welchen Verzweiflungstaten sie einen hinreißen können.«
    Julia nickte. Sie sank auf den Stuhl, und plötzlich weinte sie. Ich werde nicht verhaftet, dachte sie. O mein Gott, ich werde wirklich nicht verhaftet.
    Stockend begann sie, alles zu erzählen … von der ersten Begegnung mit Franz Höllerer bis zum Raub des Kindes aus dem Krankenzimmer der Kinderklinik. Unbemerkt lief ein Tonband auf dem Schreibtisch mit. Staatsanwalt Dr. Allach unterbrach sie nicht mit Fragen … es war das Geständnis eines kleinen, hilflosen, aus Verzweiflung fast wahnsinnigen Herzens … und doch ein Schicksal wie tausend andere, nur daß diese nicht so tragisch endeten oder an die Öffentlichkeit kamen.
    Nach knapp einer Stunde trat Julia wieder aus dem Gerichtsgebäude. Franz Höllerer sprang aus dem Wagen und rannte ihr entgegen.
    »Julia!« rief er überglücklich. »Julia, sie haben dich wieder gehen lassen! Was war denn? Was haben sie denn gesagt? Bekommen wir jetzt unser Kind wieder?«
    Julia hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, Franz. Aber man hat mich nicht verhaftet. Ich habe dem Staatsanwalt alles erzählt, und er hat am Ende gesagt, als ich das Protokoll unterschrieb: Warten Sie ab, kleine Frau … es wird sich jetzt alles klären –«
    »Das kann man so und so auslegen«, sagte Franz Höllerer dumpf. »Aber die Hauptsache ist ja, daß du wieder herausgekommen bist. Und übermorgen gehen wir mit Oberarzt Dr. Julius zum Jugendamt –«
    Ihr schönstes Kostüm zog Julia an, als der entscheidende Tag gekommen war. Sie holten Dr. Julius von der Unfallklinik ab und besuchten vorher noch Dr. Renate Vosshardt, die aus dem Streckverband heraus war, aber nun in Gips lag.
    »Viel, viel Glück!« rief Renate ihnen zu. »Und wenn du die kleine Maria nicht mitbringst, Bernd, brauchst du mir nicht mehr ans Bett zu kommen!«
    Dr. Julius hob die Finger wie zum Schwur. »Ich bringe sie mit!« lachte er siegessicher. »Allein deine dunkle Drohung gibt mir ungeahnte Kräfte.«
    Der Leiter des Jugendamtes selbst war dieses Mal zu sprechen und empfing Dr. Julius und die Familie Höllerer. Er war ein im Dienst ergrauter Oberamtmann und hatte in vierzig Jahren Beamtendasein so viele Schicksale erlebt, daß der Fall Maria Ignotus für ihn nur eine Routinesache war und ihm jegliches Verständnis dafür fehlte, daß man hier einen so großen Auflauf veranstaltete, vom Klinikchef Professor Karchow bis zum Oberstaatsanwalt, der vor drei Stunden angerufen hatte.
    Noch mehr verwunderte es ihn, daß man ihn gar nicht zu Erklärungen kommen ließ, sondern Dr. Julius nach kurzer Begrüßung zur allgemeinen Verblüffung laut sagte:
    »Herr Oberamtmann, um von Beginn an gleich alle Bedenken wegzuräumen: Die vom Jugendamt für Pflege und Krankenhaus ausgelegten Geldbeträge werden von mir sofort bezahlt. Ich bitte Sie, mir die Aufrechnung zu geben. Ich zahle das Geld nachher unten in der Kasse ein.«
    Der Leiter des Jugendamtes starrte den Oberarzt an, Julia und Franz ergriffen sich bei den Händen. Die Nächstenliebe ist nicht ausgestorben, dachten sie. Sie ist kein Märchen geworden, wie man heute so gerne sagt. Es gibt Menschen, die mitfühlen können und die helfen.
    »Danke –«, sagte Julia leise in die Stille hinein. »Wir danken Ihnen, Herr Doktor.«
    Der Oberamtmann hob hilflos die Schultern. Auch nach vierzig Amtsjahren kann man noch überrascht werden.
    »Das ist doch alles erledigt«, sagte er erstaunt.
    »Was ist erledigt?« fragte Dr. Julius zurück.
    »Die Kostenerstattung. Der Betrag ist vorgestern schon überwiesen worden.«
    »Das … das Geld ist bezahlt …?« stammelte Franz Höllerer. »Aber mein Gott, von wem denn?«
    »Warten Sie mal.« Der Oberamtmann blätterte in der Akte Maria Ignotus. Dann hob er die Quittung hoch. »Sie ist unterschrieben von einem gewissen Dr. Wollenreiter –«
    »Wollenreiter …«, sagte Dr. Julius leise. »Dieser Eisenfresser mit dem Butterherzen.«
    »Aber … aber das ist doch unmöglich. Gerade der?« stotterte Franz Höllerer.
    »Er hat das Geld bezahlt und den Wunsch dabei geäußert, daß Sie, Herr und Frau Höllerer, das Kind zur Adoption bekommen.«
    »Ja«, hauchte Julia. Sie war knapp vor einer Ohnmacht.
    »Aber das geht nun nicht mehr«, fügte der Oberamtmann hinzu. Franz Höllerer fuhr hoch.
    »Wieso denn nicht? Das Geld ist bezahlt. Das ist doch die Hauptsache!«
    »Ich weiß, daß sich Persönlichkeiten wie Professor Karchow,
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