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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation
Autoren: Heinz G. Konsalik
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habe mit dem Chef bereits gesprochen – er gibt mir ein Darlehen.«
    Julia nickte und sah in ihr Teeglas. Sie rührte mit dem Löffel darin herum, obgleich der Zucker längst aufgelöst war.
    »Wieviel Zimmer hat die Wohnung, Franz?«
    »Drei, mein Süßes.«
    »Mit Küche?«
    »Ohne Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Bad und so das ganze Pipapo. Wir werden wie die Fürsten leben. Allerdings, du, das habe ich mir genau ausgerechnet, müssen wir in den ersten zwei Jahren noch beide arbeiten, bis das Darlehen bezahlt ist. Dann geht's uns besser –«
    Julia nickte wieder. »Es wird schon gehen, Franz. Und das Kinderzimmer –«, sie stockte und senkte den Kopf, »das werden wir gleich gebrauchen können …«
    Franz Höllerer saß wie vor den Kopf geschlagen. Er sah Julia mit geöffnetem Mund an, kratzte mit den Nägeln über die Tischdecke und spürte unter der Hirnschale ein rhythmisches Klopfen.
    »Soll … soll das heißen –«, stotterte er und kam sich dabei reichlich dumm und hilflos vor.
    »Ja, Franz.«
    »Seit wann weißt du es?«
    »Seit gestern. Ich war beim Arzt.«
    »Aber wieso denn?« Franz Höllerer wischte sich über die Augen. Ein Kind, dachte er. Wir fangen direkt mit einem Kind an. Das habe ich nicht gewollt, verdammt noch mal. Ich wollte vom Leben noch etwas haben, ich wollte mit Julia in Urlaub fahren, sonntags Touren ins Gebirge machen, und nun wird das Kind kommen, und alles wird sich nur um den Säugling drehen. Das freie Leben ist vorbei. »Das kann doch gar nicht sein, Julia!« sagte er dumpf.
    »Doch, Franz. Weißt du … Mitte Januar … du hast mich vom Café abgeholt, wir gingen in deine Wohnung, du wolltest mich überraschen, mit einem Bausparvertrag –«
    Franz Höllerer nickte. Wirklich, die Überraschung ist gelungen, dachte er. Jener Abend also. Er sah hinaus in den Stadtpark und erinnerte sich. Wie glücklich waren sie für eine Stunde. Und wie gedankenlos. Nun war nichts mehr zu ändern.
    »Du … ich freue mich …«, sagte er mit schwerer Zunge. »Unser Kind. Ich bin noch ganz verwirrt. Natürlich heiraten wir sofort.«
    »Vater darf es vorher nicht erfahren.« Julia faßte über den Tisch und ergriff Franz' Hände. »Ich habe Angst vor ihm. Ich glaube, er schlägt mich tot.«
    »Dummheit. Das war früher. Im vorigen Jahrhundert.«
    »Vater ist noch aus dem vorigen Jahrhundert. Immer sagt er: Unsere Eltern, die gute alte Zeit – da galt noch Sitte und Moral. – Er hält nichts von der neuen Zeit.«
    »Auch in der guten alten Zeit gab es Kinder, die vorher kamen. Ich spreche mit deinem Vater noch einmal.«
    »Bitte, bitte, nein. Wenn wir im Juni heiraten, ist ja alles gut.«
    »Und dein Zustand? Er sieht es doch.«
    »Er wird es nicht sehen. Es gibt jetzt so gute Korsetts – ich werde mich so schnüren, daß es keiner merkt.«
    »Das schadet doch dem Kind, Julia.«
    »Nein.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Wenn andere es können –«
    Es wurde ein trüber Tag, obgleich die Sonne schien und der Schnee im Stadtpark glitzerte wie eine Decke aus blauweißen Diamanten. Früher als sonst trennten sie sich – sosehr sie sich liebten und wußten, daß sie zueinander gehörten, jetzt mehr als je zuvor, hatte jeder von ihnen das Bedürfnis, allein zu sein.
    Am nächsten Tag brachte ein Laufjunge einer Blumenhandlung einen großen Strauß roter Rosen in das ›Café Bornmeyer‹. Auf einer Karte stand: »Mein Liebes! Ich habe mich gestern dumm benommen. Die ganze Nacht habe ich an uns denken müssen … uns, das bist du, das Kind und ich. Auch wenn es schwer werden wird für uns: Laß uns glücklich sein!«
    Julia Bergmann lächelte verträumt, als sie den Strauß in eine Vase auf das Sahnekuchenbuffet stellte. Am Abend aber schimpfte sie mit Franz Höllerer.
    »Die Rosen haben – ich bin zum Laden gegangen, Franz! – 25 Mark gekostet! Das ist Verschwendung! Was hätten wir für dieses Geld schon an Windeln und Wickeltüchern kaufen können! Mein Lieber, wir müssen jetzt anders rechnen!«
    Buchhalter und Steuerhelfer Ernst Bergmann bemerkte wirklich nichts. Wohl sah er, daß seine Tochter Julia etwas zunahm, aber das schob er auf die natürliche weibliche Entwicklung und auf die gute Pflege, die Julia bei ihm hatte. Da die Bedürfnisse Ernst Bergmanns rein häuslicher Natur waren, wurde am Essen nicht gespart. Daß so etwas ansetzt, ist klar, und er freute sich, daß Julia so prächtig gedieh.
    Die Hochzeit im Juni fand nicht statt.
    Zweimal versuchte Julia, ihren
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