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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ist doch kein Beruf. Hat er die mittlere Reife? Das ist das mindeste, was mein Schwiegersohn haben muß. Natürlich hat er sie nicht. Wäre er sonst Fernfahrer? Bei Diederichs & Co. Ausgerechnet.« Bergmann kannte Diederichs & Co. Die setzen in der Gewinn- und Verlustrechnung mehr Verluste ab, als zehn Lastwagen haben konnten, und dabei fuhren sie nur mit vier! »Der Mann kommt mir nicht ins Haus!« entschied Ernst Bergmann und klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Tisch. »Keinen Schritt! Seit wann kennt ihr euch überhaupt?«
    »Seit dem Weihnachtsbaum, Paps.«
    Bergmann verzichtete auf weitere Fragen. Sie kamen ihm zu dumm vor. Kennen sich knapp zwei Monate und spielen Vorstellen! Mit Blumenstrauß womöglich. Wie damals, als er bei Helmas Vater vorsprach, ein junger Unteroffizier, mit blankgewienerten Stiefeln und neuen, blitzenden Silbertressen. »Was sind Sie, können Sie, werden Sie?« hatte Helmas Vater gefragt, und er hatte forsch geantwortet: »Ich bin Soldat des Führers, Herr Hollfeld. Es ist meine Aufgabe, das Großdeutsche Reich zu schützen! Der Dienst mit der Waffe ist der ehrenvollste Beruf der Nation!« Ja, das waren noch Zeiten! Da hatte man Mumm in den Knochen. Und Helmas Vater hatte kleinlaut »Soso, naja. Wenn's so ist!« gesagt und seine Zustimmung zur Heirat gegeben. Erst hinterher erfuhr Bergmann, daß Schwiegervater Hollfeld ein alter Sozi war, eine Tatsache, die er nach 1945 öffentlich bekannte und als Aushängeschild seiner demokratischen Gesinnung benutzte. Merkwürdigerweise hatte es immer geholfen. Der Deutsche hat eben einen Hang zur Historie.
    Nun kam also trotz aller Widerstände Franz Höllerer in das Haus Bergmanns. Er brachte keine Blumen mit, sondern erschien in einem dunkelgrauen Anzug und stellte auf den Tisch eine Flasche Kognak. Keine gute Marke, aber immerhin einen trinkbaren Kognak.
    »Herr Bergmann«, sagte Franz Höllerer unbefangen. »Julia wird es Ihnen ja schon gesagt haben: Wir wollen heiraten!«
    Das war so selbstverständlich, daß es Ernst Bergmann die Sprache verschlug. Er fand sie erst wieder, als die Flasche entkorkt war und Franz auf die Gläser wartete, die Julia aus der Küche holte.
    »Junger Mann!« sagte da Bergmann mit gemessenem Ton. »Packen Sie Ihre Flasche wieder ein … ich gebe Ihnen meine Tochter Julia nicht!«
    »Und warum nicht?« fragte Höllerer verwirrt. »Ich bin ein anständiger Mensch, ich verdiene mit Überstunden in der Woche fast 200 Mark, ich kann eine Neubauwohnung bekommen, ich habe Kinder gern, ich habe noch nie einen Tripper gehabt, bin nie besoffen, rauche mäßig, bin mit fünfundzwanzig Jahren natürlich nicht mehr unschuldig –, das waren Sie sicherlich in dem Alter auch nicht mehr, vor allem als Soldat, der Sie waren, wie mir Julia erzählte –«
    Hier fiel endgültig die Klappe, Ernst Bergmann sprang auf, streckte den Arm weit zur Tür aus und besann sich darauf, daß ein guter Feldwebelton durch Zwerchfellatmung unterstützt wird.
    »Hinaus!« brüllte er dröhnend. »Sie Flegel! Sie unreifer Bursche! Ich lasse mir von Ihnen nicht den grauen Rock beleidigen! Sie Rotzjunge!«
    Franz Höllerer klemmte die Kognakflasche unter den Arm und ging aus der Wohnung. »Über den Rotzjungen reden wir noch!« rief er zurück. Dann schlug er die Tür zu und hörte noch, wie Julia seinen Namen rief. Er zögerte, wollte umkehren, aber dann stieg er doch die Treppe hinunter, kletterte in seinen kleinen Privatwagen und fuhr davon.
    Am nächsten Tag traf er Julia im ›Café Bornmeyer‹. Sie weinte sofort von neuem, und er tröstete sie mit den Worten: »Nicht heulen, Julia. Dein Alter ist eben ein Kommißkopp. Warten wir ab, bis du einundzwanzig bist, dann heiraten wir ohne seinen Senf! Julia, wir sind doch erwachsene Menschen! Die Alten, die leben ja noch im vergangenen Jahrhundert!«
    Man kann modern oder unmodern sein … Liebe ist immer die gleiche, und die Auswirkungen sind es ebenfalls. Im Februar, an einem Sonntag, trafen sich Julia und Franz wieder. Sie bummelten durch den Schnee im Stadtpark und setzten sich im Parkhaus in eine Ecke, bestellten Tee mit Zitrone und sahen sich tief und sehnsuchtsvoll in die Augen.
    »Du –«, sagte Julia plötzlich, und sie war ganz ernst dabei. »Im Juni werde ich einundzwanzig. Heiraten wir dann gleich?«
    »Natürlich, Schätzchen.«
    »Und die Wohnung?«
    »Wenn es sicher ist, daß wir heiraten, miete ich sie. Die Leute verlangen zwar 2.000 Mark Vorauszahlung, aber das schaffen wir schon. Ich
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