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Kinderfrei

Kinderfrei

Titel: Kinderfrei
Autoren: Nicole Huber
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dass ein auf Lebenszeit geschlossener, grundsätzlich unauflösbarer Vertrag (denn nichts anderes ist eine Ehe) nicht als sittenwidrig gilt, 6
› Hinweis
und dass zwei erwachsene, voll geschäftsfähige Menschen, die einen solchen Vertrag freiwillig eingehen, diesen nicht ebenso freiwillig wieder lösen können, sondern dazu nach wie vor die Erlaubnis eines Gerichts benötigen.
    Doch unser heutiges modernes Familienbild ist nicht in Stein gemeißelt. Werte und mit ihnen die Auslegung und Ausgestaltung der Grundrechte unterliegen einem ständigen Wandel, und es ist keinesfalls gesagt, dass ein solcher Wandel zwangsläufig immer zum Positiven, im Sinne eines kontinuierlichen Fortschritts zu mehr Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit hin erfolgt. Ein Rückfall in reaktionäre Vorstellungen ist niemals auszuschließen – von daher möge man mir verzeihen, dass mir der grundsätzliche Schutz von »Ehe« und »Familie« als Institutionen ein wenig Bauchschmerzen bereitet, er ist schlicht von gestern.
    Umso wichtiger ist die Interpretation dieser allgemein formulierten Schutzbestimmung. Denn aus dem in Art. 6 I GG enthaltenen Schutzauftrag wird gerne einmal das Recht, ja geradezu die Pflicht abgeleitet, andere Lebensformen als Ehe und/oder Familie grundsätzlich schlechter zu stellen. Dieser Auffassung hat aber das Bundesverfassungsgericht jetzt im Zusammenhang mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft eine klare Absage erteilt: Zwar sei es dem Gesetzgeber wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe grundsätzlich nicht verwehrt, sie gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren. Geht die Privilegierung der Ehe jedoch mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obwohl diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind (wie bei der Lebenspartnerschaft, bei der es sich ebenfalls eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft handelt, mit der die Partner rechtlich verbindlich Verantwortung füreinander übernehmen), so rechtfertige der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht. Denn aus der Befugnis, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, ließe sich kein in Art. 6 I GG enthaltenes Gebot ableiten, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen. Es sei verfassungsrechtlich nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten auszustatten seien. Hier bedürfe es jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 I GG eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und – ziel die Benachteiligung anderer Lebensformen rechtfertige. 7
› Hinweis
    Das ist doch schon mal was! Wenn man allerdings richtig darüber nachdenkt, ist andererseits nicht wirklich ersichtlich, inwiefern sich aus einem Schutzauftrag eine Befugnis zur Privilegierung (die sich in der Praxis vor allem in einer steuerlichen Bevorzugung durch Ehegattensplitting bzw. günstigere Steuerklassen ausdrückt) ableiten lässt. Dieser Schutzauftrag ließe sich nämlich auch ganz anders interpretieren: als Pflicht des Staates, jedem Menschen das Recht auf Eheschließung und Familiengründung zu garantieren und durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen dafür zu sorgen, dass dieses Recht auch tatsächlich ungehindert wahrgenommen werden kann. Dieses Recht müsste dann auch für homosexuelle Paare gelten, denn es gibt keinerlei sachlichen Grund dafür, sie davon auszuschließen. Es ist nicht einzusehen, warum man das Instrument einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft – quasi eine »Ehe light« – einrichtet, aber vor dem letzten und nur konsequenten Schritt zurückschreckt, Homosexuellen die Eheschließung zu ermöglichen. Das Argument, die Ehe sei nun einmal als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau definiert, ist ein Zirkelschluss, nach dem Motto: »Es ist, wie es ist, weil es eben so ist, wie es ist.« Die Definition der Ehe als heterosexuelle Lebensgemeinschaft verdankt sich in erster Linie ihrer historischen Funktion als Grundlage der Familie. Diese Funktion erfüllt die Ehe jedoch heute nicht mehr, wie wir gesehen haben. Die Tatsache, dass aus einer gleichgeschlechtlichen Ehe per definitionem keine Kinder hervorgehen können, taugt schon allein deshalb nicht als Rechtfertigungsgrund. Außerdem müsste dann streng genommen die Eheschließung auch Frauen nach den Wechseljahren oder
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