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Kinder

Kinder

Titel: Kinder
Autoren: Jürgen Seibold
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auch wieder.«
    Damit war er auch schon auf dem Weg zur Ausgangstür. Moeller sah ihm
aufmerksam nach, und auch Hässler packte seine Unterlagen zusammen und murmelte
eine Verabschiedung.
    In den folgenden Tagen kehrte im Haus der Pietschs der
Alltag ein. Rainer Pietsch schaffte es fast täglich pünktlich nach Hause,
Annette bekam einige interessante Catering-Aufträge, und aus der Schule war
nichts Seltsames zu hören.
    Die Kinder schienen nach den langen Ferien auch allmählich wieder in
Tritt zu kommen. Es wirkte sogar ganz so, als seien sie nun doch ein Jahr älter
geworden: Wenn sie nach Hause kamen, flogen die Ranzen nicht mehr im hohen
Bogen in irgendeine Ecke des Flurs, sondern jedes Kind trug den Ranzen in sein
Zimmer, stellte ihn fein säuberlich neben den Schreibtisch und setzte sich ohne
großes Trödeln sofort an die Hausaufgaben.
    Und als die erste Schulwoche vorüber war, lagen drei Schreiben im
Eingangskörbchen für Post, Broschüren und Einkaufsmerkzettel: drei Einladungen
zum Elternabend, und zwar schon für die kommende Woche.
    »So früh diesmal?«, fragte Annette Pietsch nach dem Abendessen.
    »Die Moellers sind wohl von der schnellen Truppe«, grinste Sarah.
    »Wieso die Moellers? Ich dachte, nur Lukas hat Frau Moeller als
Klassenlehrerin – und Termine für die Elternabende setzen doch die
Klassenlehrer fest und sprechen das mit den Elternbeiräten ab.«
    »Sagen wir es mal so: Die beiden haben offenbar ein sehr
einnehmendes Wesen – die anderen Lehrer scheinen sie zu akzeptieren und sich
auch von ihnen überreden zu lassen. Ich glaube, die beiden neuen Lehrer haben
an der Schule schon einen ziemlich guten Stand.«
    »In der kurzen Zeit? Respekt!«
    »Und sie sind offenbar davon überzeugt, dass man möglichst schnell
die Eltern an den Schulthemen beteiligen sollte und dass deshalb der
Elternabend gar nicht früh genug im Schuljahr stattfinden kann.«
    »Das klingt gut«, fand Annette Pietsch. »Dann lernen wir die auch
mal alle beide kennen. Ich bin schon ganz gespannt.«
    »Ich auch«, schloss sich ihr Mann an, schenkte sich ein Bier ein und
ging mit den anderen ins Wohnzimmer hinüber.
    Nur Lukas blieb noch kurz sitzen, ehe er ohne ein weiteres Wort in
sein Zimmer hinaufging und sich schlafen legte. Am nächsten Morgen fanden sie
ihn noch immer schlafend in seinem Bett, in den Kleidern vom Vortag, mit
verwuschelten Haaren und dunklen Ringen unter den Augen. Als ihn seine Mutter
weckte, schreckte er hoch und sah sich einige Augenblicke verwirrt um.
    »Na, du Langschläfer«, neckte ihn Annette Pietsch. »Kommst du zum
Frühstück?«
    »Ja, gleich, Mama«, hauchte er und blieb noch kurz liegen.
    Erst als seine Mutter das Zimmer verlassen hatte, huschte er ins Bad
hinüber, zog seine feuchte Unterhose aus und stopfte sie zusammen mit seiner
Jeans ganz nach unten in den Wäscheberg.
    Rektor Wehling schlenderte gemächlich auf die Kollegen zu,
die sich unter der großen Ulme im Pausenhof versammelt hatten.
    »… ist mir irgendwie nicht geheuer«, hörte er Frido Hässler noch
sagen, dann drehten sich einige der Männer und Frauen zu ihrem Vorgesetzten um
und sahen ihm stumm entgegen.
    »Na?«, sagte Wehling in die Runde, und er versuchte seiner Stimme
einen möglichst leutseligen Klang zu geben – die Spannung unter der Ulme war
fast mit Händen zu greifen. »Haben Sie den Mädels ihren Stammplatz streitig
gemacht?«
    Er nickte lächelnd zu einigen Mädchen aus der neunten Klassenstufe
hinüber, die heute ausnahmsweise am Rand des Schulhofs beisammenstanden statt
wie sonst unter dem großen Baum.
    »Und was ist Ihnen nicht geheuer, lieber Hässler?«, setzte er nach.
    »Ich … na ja, machen wir es kurz: Unsere beiden neuen Kollegen
kommen mir manchmal ein wenig seltsam vor. Immer kontrolliert, immer
konzentriert, und die Kinder kuschen schon nach kurzer Zeit vor ihnen.«
    »Neidisch?«, fragte Wehling lachend, legte Hässler aber zugleich
besänftigend eine Hand auf den Arm. »Nicht böse gemeint, Hässler, nicht böse
gemeint.«
    »Irgendwie kommen mir die beiden halt komisch vor, ich weiß auch
nicht. Selbst wenn sich Franz Moeller im Lehrerzimmer hinter mich stellt, habe
ich das Gefühl, dass mich ein kalter Hauch streift.« Hässler hob sofort abwehrend
die Hände: »Ich weiß, das klingt schräg, sorry, aber … Ich kann irgendwie
nicht in Worte fassen, warum die beiden ein solches Unbehagen in mir auslösen.«
    »Für Vampire werden Sie sie aber hoffentlich nicht halten,
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