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Kinder

Kinder

Titel: Kinder
Autoren: Jürgen Seibold
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auch die drei Jungs, blieb aber nicht an ihnen haften. Ronnie lief puterrot
an und sah zu Boden.
    Michael verdrehte die Augen.
    »Für die seid ihr doch Kinder«, sagte er kopfschüttelnd, und als
Petar schon wieder protestieren wollte, hob Michael abwehrend beide Hände und
deutete dann auf einen Jungen aus der Neunten, der gemächlich über den Hof
schlurfte: »Der Typ dort drüben – auf den stehen sie. Schaut euch nur an, wie
sie ihm hinterhersehen.«
    »Pah«, machte Ronnie, aber er klang schon jetzt ein wenig eingeschnappt
und sah dem Älteren scheel nach.
    »Das ist Sören, der geht mit meiner Schwester in die 9c«, erzählte
Michael.
    »Ja, ja, schon gut, wir wissen, wer das ist«, brummte Petar.
    »Der ist cool, den mögen alle – und er ist etwas älter als eure
Traumfrauen. Da habt ihr schlechte Karten, Jungs, damit solltet ihr euch
abfinden.«
    Sören war inzwischen bei einer Gruppe am anderen Ende des Schulhofs
angekommen. Er klatschte einige der Jungs ab und plauderte lächelnd auf eines
der Mädchen ein – ganz offenbar war der coole Sören nicht nur unter
Siebtklässlerinnen mächtig angesagt.
    Rosemarie Moeller stand seit Beginn der großen Pause
kerzengerade und unbeweglich in der Nähe der Eingangstür. Immer wieder ließ sie
ihren Blick über den Hof schweifen, sah einige Schüler tadelnd an, die sich
gerade balgen wollten, fixierte dann ein Liebespärchen aus der elften Klasse,
das auffällig unauffällig in einer Ecke zusammenstand, und sah zwischendurch
immer wieder zu den Lehrerkollegen hinüber, die unter der großen Ulme standen
und offenbar eifrig miteinander diskutierten.
    Eine Weile beobachtete sie einen Neuntklässler: Er schlenderte
gemächlich quer über den Schulhof, verfolgt von den Blicken des einen oder
anderen Mädchens, und wurde von der Schülergruppe, bei der er schließlich ankam,
überaus freundlich begrüßt.
    Schließlich blickte sie auf die gegenüberliegende Ecke des
Pausenhofs, wo ebenso kerzengerade und unbeweglich ihr Mann stand. Franz
Moeller hatte ebenfalls die Gruppe unter dem Baum gemustert und sah nun zu
seiner Frau herüber. Nach einem kurzen Moment nickte er ihr zu, und die beiden
gingen kurz nacheinander zurück ins Schulgebäude.
    Als Rektor Wehling mit dem Klingeln der Pausenglocke das
Gebäude betrat und dabei die letzten Nachzügler aus der Oberstufe vor sich her
zu ihren Klassenzimmern scheuchte, sah er am anderen Ende des Flurs Rosemarie
und Franz Moeller beisammenstehen.
    Sie unterhielten sich mit ernsten Mienen, und mit etwas langsamerem
Schritt ging Wehling nun auf die beiden zu. Als er noch ein paar Meter entfernt
war, glaubte er den Namen Sören Karrer zu hören, aber noch bevor er wirklich
verstehen konnte, was die beiden so intensiv zu besprechen hatten, bemerkten
sie ihn. Rosemarie Moeller verstummte augenblicklich und sah ihrem Vorgesetzten
gespannt entgegen, Franz Moeller begrüßte Wehling freundlich.
    »Na, Freistunde?«, fragte Wehling, um ein Gespräch in Gang zu
bringen.
    Rosemarie Moeller zog eine Augenbraue hoch.
    »Nein, nein, Herr Wehling«, versicherte ihm Franz Moeller. »Wir
gehen auch gleich in unsere Klassen – aber ich habe den Eindruck, dass uns die
Schüler nicht böse sind, wenn wir uns mal ein paar Minuten verspäten.«
    Franz Moeller lachte, Wehling lachte mit, Rosemarie Moeller verzog
keine Miene.
    Schließlich schob Rektor Wehling noch ein paar launige Sprüche
hinterher, verabschiedete sich und eilte die Treppe hinauf zum Rektorat.
    Rosemarie und Franz Moeller sahen ihm einen Augenblick nach. Als
Wehling außer Hörweite und auch sonst niemand mehr in der Nähe zu sehen war,
tauschten die beiden Lehrer noch die Namen einiger weiterer Schüler aus und
machten sich auf den Weg zu ihren Klassen.
    Rainer Pietsch ging ins Klassenzimmer seines Jüngsten und
saß wie schon im Vorjahr auf einem für ihn viel zu kleinen Stuhl. Nach und nach
füllte sich der Raum, und diejenigen Eltern, die sich über ihre Kinder näher
kannten, plauderten fröhlich durcheinander.
    Neben ihn setzte sich Christine Werkmann, die Mutter von Lukas’
Banknachbar Kevin. Sie nickte ihrem Stuhlnachbarn kurz zu, zog dann mit hektischen
Bewegungen Stifte und einen Block aus ihrer Tasche und legte alles vor sich auf
den Tisch.
    »Na, geht’s gut?«, fragte Pietsch. Er hätte sich die Frage schenken
können: Der Frau ging es offensichtlich alles andere als gut. Sie hatte tiefe
Augenringe, und die leicht gerötete Nase deutete auf eine Erkältung
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