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Kinder des Sturms

Kinder des Sturms

Titel: Kinder des Sturms
Autoren: Roberts Nora
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hatte. Eine gute Gespenstergeschichte zog die Menschen an, ebenso wie ein gut geführter Pub. Es trug alles zur Atmosphäre eines Ortes bei.
    Im Gallagher’s herrschte genau die Atmosphäre, die er sich für sein Theater wünschte. Das alte, von der Zeit, dem Rauch und Bratfett heimelig geschwärzte Holz passte hervorragend zu den cremefarbenen Wänden, dem steinernen Kamin, den kleinen Tischen und niedrigen Stühlen.
    Die Theke selbst war eine wahre Schönheit, aus uralter, von den Gallaghers auf Hochglanz polierter Kastanie. Als Gäste wurden bereits Babys auf den Armen der Mütter durch die Tür getragen, und auf einem Hocker am hinteren Ende des Tresens balancierte der wahrscheinlich älteste Mann, den Trevor je gesehen hatte.

    Auch einige andere Besucher schienen Einheimische zu sein. Das erkannte er ganz einfach an der Gelassenheit, mit der sie an den Tischen hockten, Zigaretten rauchten und an ihren Gläsern nippten. Der Großteil der Gäste jedoch waren anscheinend nichts anderes als Touristen, was man an den Fotoapparaten, den Landkarten und Reiseführern sah.
    Man hörte die verschiedensten Akzente, doch überwog der wunderbare Singsang, der die Stimmen seiner Großeltern geprägt hatte.
    Hatten sie selbst den Singsang ebenfalls gehört, und warum hatte es sie nie danach verlangt, die alte Heimat noch einmal zu sehen? Welche bitteren Erinnerungen hatten sie über Jahrzehnte hinweg mühselig verdrängt, damit ihr Enkel nun hierher zurückkam, um zu ergründen, was ihm stets verschwiegen worden war?
    Vor allem aber, weshalb hatte er Ardmore und die Aussicht aus dem Cottage bei seiner Ankunft wieder erkennen können, und weshalb wusste er schon jetzt, was er sähe, wenn er auf die Klippen steigen würde? Es war, als hätte er im Geiste ein Bild von diesem Ort gehabt, ein Bild, das von jemand anderem gemacht und ihm eingegeben worden war.
    Sie hatten keine Fotos von Ardmore oder dem kleinen Haus gehabt. Sein Vater hatte die alte Heimat einmal als junger Mann besucht, aber seine Beschreibungen waren bestenfalls bruchstückhaft gewesen.
    Natürlich hatte er die Berichte von Finkle eingehend studiert. Detaillierte Fotos und Beschreibungen. Aber trotzdem hatte er bereits vor Öffnen des ersten Ordners alles gewusst, ganz genau gewusst.
    Hatte er die Erinnerung an Ardmore vielleicht einfach geerbt?, fragte er sich, obgleich er von derartigen Dingen im Grunde nichts hielt. Es war eine Sache, die hellgrauen, schräg stehenden Augen des Vaters zu bekommen. Und man hatte ihm gesagt, er hätte das Geschick und den Geschäftssinn seines
Großvaters. Wie aber erbte man die Erinnerung an einen Ort?
    Er spielte mit der Idee, während er sich unter den anderen Gästen umsah, ohne dass er darauf gekommen wäre, dass er selbst in seinen Arbeitskleidern und mit den zerzausten dunkelblonden Haaren eher wie ein Einheimischer wirkte als ein Tourist. Er hatte ein schmales, grobknochiges Gesicht, das die meisten Menschen eher an einen Krieger oder vielleicht einen Gelehrten als an einen Geschäftsmann denken ließ. Die Frau, die er beinahe geheiratet hätte, hatte stets gesagt, es sehe aus wie die Skulptur eines wilden Genies. Am Kinn hatte er eine kleine Narbe – Folge eines Sturms fliegender Scherben während eines in Houston wütenden Tornados –, die den Eindruck der Härte noch verstärkte.
    Es war ein Gesicht, das von seinen Gefühlen kaum je etwas verriet, solange Trevor Magee nicht meinte, es gereiche ihm zum Vorteil.
    Augenblicklich wirkte es kühl und distanziert, doch als Brenna zusammen mit Jude zurück an den Tisch kam, wurde es umgehend freundlich. Brenna war diejenige, die das Tablett mit ihrem Essen trug.
    »Ich habe Jude gebeten, sich kurz zu uns zu setzen und Ihnen von Lady Gwen zu erzählen«, meinte Brenna und stellte bereits die Teller auf den Tisch. »Sie ist nämlich eine seanachais .«
    Angesichts von Trevors hochgezogenen Brauen schüttelte Jude abwehrend den Kopf. »Das ist das gälische Wort für Geschichtenerzählerin. Ich bin keine wirkliche Erzählerin, ich –«
    »Du bist eine Erzählerin, von der gerade ein Buch verlegt wird und die bereits das zweite schreibt. Judes Buch wird Ende des Sommers herauskommen«, fuhr Brenna fort. »Es gibt ein herrliches Geschenk ab, also würde ich an Ihrer Stelle, wenn ich einkaufen gehe, danach Ausschau halten.«
    »Brenna.« Jude verdrehte die Augen.

    »Ich werde ganz sicher danach schauen. Ein paar von Shawns Texten sind ebenfalls Geschichten. Er folgt damit
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