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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers
Autoren: Julia Kröhn
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ausbreitet, die Luft zum Atmen nimmt, jede Pore durchdringt, die Zunge lähmt. Er wollte dem Abt ins Wort fallen, aber konnte es nicht.
    »Was immer er Euch vorspielte – Arvid hegt einen tiefen Hass gegen alles Normannische. Mein Vorgänger Godoin hat mir die Wahrheit gesagt, und Arvid selbst hat es mir später bestätigt: Er ist der Sohn von Gisla.«
    Zumindest der letzte Satz war keine Lüge – und hatte doch ähnliche Macht: Bernhards Gesicht verzog sich erst schockiert, dann verächtlich.
    »Er ist ein Verwandter von König Ludwig?«
    »Sein Neffe!«, rief Martin eifrig. »Wahrscheinlich standen sie seit langem heimlich in Kontakt. Ich habe es immer befürchtet, vor allem an dem Tag, da Arvid eigenmächtig das Kloster verließ.«
    Arvid zerrte an seinen Fesseln. Abt Martin hatte zwar so viel Anstand, ihm nicht länger in die Augen zu sehen, aber dennoch hätte er ihn am liebsten geschlagen. Jene gleißende Wut, die ihn manchmal überkam, drohte auch jetzt wieder, ihn zu verbrennen.
    »Das ist eine Lüge!«, schrie er dagegen an.
    »So bist du etwa nicht mit Ludwig verwandt?«
    »Doch, das bin ich, aber …«
    »Du bist der Neffe eines von Richards schlimmsten Feinden und hast es uns verheimlicht!«, rief Bernhard.
    »Warum hätte ich es sagen sollen?«
    »Am Tag vor der Schlacht habe ich dich nach deinen Eltern gefragt, und du hast gesagt, es täte nichts zur Sache, wer sie wären.«
    »Es tut auch nichts zur Sache! Bernhard, so glaub mir doch! Ludwig wollte mich töten. Als Sohn seiner Schwester und eines Nordmannes stellte ich für ihn eine Bedrohung dar. Abt Martin wusste das und war sogar bereit, mich Ludwig auszuliefern und solcherart ein Zeichen zu setzen, dass der Abt von Jumièges dem fränkischen König treu ergeben ist und in ihm den wahren Herrscher der Normandie sieht. Du musst mir glauben!«
    Abt Martin sagte nichts mehr.
    Bernhard wandte sich ab. »Den Abt von Jumièges hat man aber nicht dabei gesehen, wie er König Ludwig zur Flucht verhalf.«
    »Ich wollte ihm nicht zur Fluch verhelfen, ich wollte ihn töten!«
    Bernhard fuhr herum, sein Gesicht nicht nur verzerrt, sondern rot vor Zorn. »Hast du den Verstand verloren?«
    Vielleicht hatte er das tatsächlich – vielleicht war er so wahnsinnig wie sein Vater, nicht fähig, besonnen zu handeln, seinen Hass zu unterdrücken, seine Vorwürfe vernünftig zu entkräften. Etwas in ihm zerriss, und trotz seiner Fesseln ging er auf den Abt los, schlug mit gebundenen Armen auf den Mann Gottes ein. Er traf sein Gesicht, ehe Martin sich ducken konnte und er selbst fortgezerrt wurde. Arvid trat um sich, er rang mit Bernhards Männern, aber er wurde ihrer nicht Herr – und noch weniger der Ohnmacht, der Lüge nichts entgegensetzen zu können, auch nicht dem Verdacht, dass es sich nicht lohnte, sich für eine Seite entschieden und einen Teil seiner selbst verleugnet zu haben.
    »Bernhard, hör mir zu!«
    Er schrie, bis er heiser war, und selbst dann noch, als Bernhard ihn nicht mehr hören konnte. Niemand konnte ihn hören. Man hatte ihn wieder in den Kerker gebracht, diesmal nicht zu anderen Gefangenen, sondern in einen winzigen Raum, in dem er kaum gerade stehen konnte und dessen feuchte Wände seine Schreie und Flüche schluckten.
    Tagelang bat Mathilda vergebens darum, zu Arvid vorgelassen zu werden, aber irgendwann wurde ihr Flehen doch erhört. Das Loch, in dem man ihn gefangen hielt, war erbärmlich. Spinnweben und Staub rieselten auf ihr Haar, als sie eintrat. Er hockte gekrümmt in der Ecke, so reglos, als wäre er schon tot. Mehr als einmal musste sie seinen Namen rufen, bis er endlich hochblickte. Er sprang auf, stürzte auf sie zu und ergriff ihre Hände.
    »Mathilda …«
    Wie trostlos seine Stimme klang!
    Doch zumindest lebte er, atmete. »Geht es dir gut?«, fragte er. »Dir und dem Kind?«
    »Es ist alles in Ordnung. Als man dich gefangen nahm, hatte ich Krämpfe. Aber nach einer Weile haben sie wieder nachgelassen. Bernhard ließ mich zu Sprota nach Pˆıtres bringen. Sie nahm sich in den letzten Wochen meiner an. Ich bin mit ihr nach Rouen gereist, um endlich zu erfahren, was geschehen ist … was man dir vorwirft …«
    »Du weißt, dass das alles Lügen sind! Ich wollte Ludwig nicht zur Flucht verhelfen, ich wollte ihn töten. Es war ein Fehler, gewiss, eine unbesonnene, dumme Entscheidung, die ich nicht hätte treffen sollen, wo es doch galt, sich deiner anzunehmen. Aber …«
    Er brach ab, ließ sie los, ging gebückt auf und ab wie
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